Berlin:Elf Jahre alt, polizeibekannt, 70 angriffslustige Freunde

Wedding

Der Elfjährige aus dem Wedding - hier eine Straßenszene - gilt als "kiezorientierter Mehrfachtäter".

(Foto: Hannah Beitzer)

Anwohner in Berlin rufen die Polizei, weil Kinder den Motor eines Autos starten. Eines wird aggressiv. Und plötzlich sind die Polizisten von einer feindseligen Menge umstellt.

Von Jens Schneider

Am Anfang der Geschichte stehen eine Zahl und eine Art Täter-Klassifizierung. Beide lassen sich gedanklich schwer zusammenbringen, aber damit beginnt der Vorfall, dessen Hergang in Berlin gerade Schlagzeilen macht. Elf, so alt ist der Junge, er wohnt in Gesundbrunnen im Berliner Wedding, einem an einigen Stellen rauen Quartier. Die Polizei nennt ihn einen "kiezorientierten Mehrfachtäter". Der Begriff stehe für Jugendliche unter 21 Jahren, die durch die wiederholte Begehung von Straftaten in ihrem Kiez schon bekannt seien - und bei denen befürchtet werden müsse, dass sie wieder auffällig werden könnten, heißt es zur Erklärung bei der Polizei.

Am Montagabend dieser Woche wurde die Polizei von besorgten Bürgern angerufen. In einer Straße in Gesundbrunnen spielten Kinder in einem offenen Auto, sie hätten mehrmals den Motor gestartet. Als die Beamten eintrafen, verwiesen Zeugen sie auf den Elfjährigen, der in diesem Alter selbstredend nicht strafmündig ist, den Beamten aber persönlich bekannt: Dieser Junge habe das Auto immer wieder gestartet.

Von der Polizei angesprochen, habe der Elfjährige sofort aggressiv reagiert, heißt es. Und in kürzester Zeit seien die Polizisten von einer aggressiven Menschenmenge umstellt worden, von eigentlich Unbeteiligten. Einige wollten offenbar gleich deutlich machen, wer aus ihrer Sicht in der Straße das Sagen hat. "Haut ab, das ist unsere Straße", sei einige Male gerufen worden.

Bis zu 70 Menschen umringen die Polizisten, bis Verstärkung kommt

Bis zu 70 Personen hätten die Beamten nun umstellt. Vor allem mehrere Familienangehörige des Elfjährigen bedrängten die Polizisten laut deren Darstellung "verbal äußerst aggressiv". Die Beamten sprachen Platzverweise aus und forderten Verstärkung an. Es sei zu Beleidigungen gekommen, berichten sie, und als die Polizisten den 21-jährigen Bruder des Elfjährigen nach fortwährenden Beleidigungen zur Klärung seiner Identität festnahmen, habe ein weiterer junger Mann das verhindern wollen.

Der ebenfalls 21-Jährige habe versucht, die Polizisten wegzustoßen und den bereits mit Handfesseln gefesselten Mann zu befreien. Es sei Reizgas eingesetzt worden, um die Gefangenenbefreiung zu verhindern. Schließlich wurden beide festgenommen. Die Situation habe sich erst beruhigt, als weitere Beamten mit Diensthunden in der Begleitung kamen.

Einer der beiden Festgenommenen ist nach Polizeiangaben Deutscher mit Migrationshintergrund, die Nationalität des anderen sei ungeklärt. In Berliner Medien wurde über die Herkunft der Familie des Elfjährigen spekuliert, die Polizei machte dazu keine Angaben. In der vorläufigen Bilanz stehen Strafanzeigen wegen Landfriedensbruchs, Beleidigung, versuchter Körperverletzung, versuchter Gefangenenbefreiung, unberechtigten Gebrauchs eines Kraftfahrzeuges sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Innensenator Frank Henkel (CDU) sprach danach von einer brenzligen Situation. Wichtig wäre nun, "dass die Rädelsführer schnell eine Sanktion durch die Justiz spüren. Alles andere wäre frustrierend für die eingesetzten Polizeibeamten, die täglich ihren Kopf hinhalten", sagte er. Die Sache sei leider kein Einzelfall. Er zeige, "wie hart es ist, in manchen Problemkiezen Recht und Gesetz durchzusetzen".

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