Berlin:Ehemals besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin geräumt

Gerhart-Hauptmann-Schule Räumung Demonstration

Hunderte Demonstranten protestierten friedlich gegen die Räumung der Gerhart-Hauptmann-Schule.

(Foto: dpa)
  • Nach fünf Jahren wurde die lange Zeit von Flüchtlingen besetzte Berliner Gerhart-Hauptmann-Schule geräumt.
  • Hunderte Demonstranten demonstrierten gegen die Räumung des Gebäudes.
  • Auch in Zukunft sollen auf dem Gelände Flüchtlinge wohnen.

Von Verena Mayer, Berlin

Am Ende geht alles sehr schnell. Donnerstagmorgen, es ist noch dämmrig, kommt eine Gerichtsvollzieherin nach Berlin-Kreuzberg, um einen der umstrittensten Orte der Hauptstadt zu räumen: die ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule, die seit Ende 2012 von Flüchtlingen besetzt war. Viel ist nicht zu tun. In den baufälligen Räumen des Südflügels steht Gerümpel, einige Türen sind verschlossen, ein Schlüsseldienst muss sie öffnen. Im Hof weist noch ein weißer Banner mit der Aufschrift "International Refugee House" darauf hin, dass hier einmal Hunderte Flüchtlinge lebten. Sonst ist von den Bewohnern nichts mehr zu sehen. Die letzten elf Männer haben die Schule bereits am Vortag verlassen.

Draußen in der Ohlauer Straße sind Straßensperren aufgebaut, einige Hundertschaften der Polizei stehen bereit, als nach und nach an die 200 Demonstranten eintrudeln, um gegen die Räumung zu protestieren. Alles verläuft friedlich, gegen Mittag ist es wieder ruhig. Es ist das letzte Kapitel einer langen Geschichte, die man als frühes Symbol der globalen Flüchtlingskrise lesen kann. Dafür, wie sie bis in die Kommunen hinreicht und diese mit der Situation nicht selten überfordert sind.

Alles begann Ende 2012, als sich nach dem Suizid eines iranischen Flüchtlings in Würzburg ein Protestmarsch in Bewegung setzte, um gegen die Zustände bei der Unterbringung von Flüchtlingen zu demonstrieren. Die Residenzpflicht etwa, die Asylbewerber an bestimmte Regionen bindet. Irgendwann erreichte der Zug Berlin. Es war kalt, einige Flüchtlinge quartierten sich in der leer stehenden Gerhart-Hauptmann-Schule ein. Der Bezirk Kreuzberg ließ sie gewähren, machte das Gebäude notdürftig für die Bewohner zurecht.

Vor drei Jahren eskalierte die Situation

Doch es zogen immer mehr Menschen in die Schule, irgendwann lebten Hunderte Obdachlose, Roma-Familien und Drogendealer aus dem nahegelegenen Görlitzer Park mit Flüchtlingen aus Kriegsgebieten zusammen, von denen einige schwer traumatisiert waren. Die Bewohner hausten, von Freiwilligen und linken Aktivisten betreut, unter katastrophalen hygienischen Zuständen in den Klassenzimmern und auf den Fluren. Bis im April 2014 die Situation eskalierte. Im Streit um eine der wenigen Duschen in dem Gebäude erstach ein Bewohner einen anderen.

Der Bezirk versuchte, die Schule zu räumen, um ein reguläres Flüchtlingszentrum aufzubauen. Wochenlange Proteste gegen die Räumung, die im Frühjahr 2014 über Berlin hinaus Schlagzeilen machten, waren die Folge, die Bewohner drohten, sich vom Dach zu stürzen. Die Flüchtlinge durften danach erst mal bleiben, wo sie waren. Als sie schließlich ein dauerhaftes Wohnrecht erstreiten wollten, versuchte der Bezirk, sie hinauszuklagen. Nach mehreren Jahren Rechtsstreit bekam der Bezirk 2017 einen Räumungstitel. Für die verbliebenen elf Flüchtlinge sei inzwischen ein Quartier gefunden worden, sagte Hakan Tas, Abgeordneter der Linkspartei. Die meisten sind aus Afrika, viele haben Jobs in Berlin, in den vergangenen Jahren haben sie an der Schule immer mal wieder kleine Projekte gemacht.

Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, die anfangs noch gehofft hatte, dass die Schule sich zu einer Art selbst verwaltetem Flüchtlingsheim entwickeln könnte, zeigte sich am Donnerstag erleichtert, dass nun alles zu Ende ist. Kosten in Millionenhöhe sind angelaufen, für den Jahre langen Rechtsstreit und weil der Bezirk einen privaten Wachschutz beschäftigen musste, damit keine weiteren Leute in die Schule ziehen. Nun soll hier endlich der geplante "Campus Ohlauer" entstehen, 120 Wohnungen unter anderem für Flüchtlinge, die auf dem überhitzten Berliner Wohnungsmarkt kaum Chancen haben. Denn die Flüchtlingskrise ist auch in Kreuzberg noch lange nicht zu Ende.

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