Berlin:Die Millionen-Dollar-Frage

Im Berliner Bode-Museum wird eine riesige Goldmünze gestohlen. Nennwert ist eine Million kanadische Dollar, ihr Gewicht: etwa 100 Kilogramm. Wie konnten die Diebe die Münze unbemerkt entwenden?

Von Sebastian Fischer und Verena Mayer, Berlin

"Muse Macht Moneten" steht auf der großen blauen Fahne, mit der das Bode-Museum seine Münz-Ausstellung wirbt. Der neobarocke Bau mit Kuppel auf der Berliner Museumsinsel ist ein beliebtes Fotomotiv, doch am Montag kommen von hier keine Bilder, die den Verantwortlichen gefallen. "Muse Macht Moneten" - genau das dachten sich nämlich auch die Einbrecher, die am frühen Morgen durch ein Fenster einstiegen, um eine rund 100 Kilogramm schwere Goldmünze zu stehlen.

Mehrere Kamerateams haben am Montagmittag ihre Stative auf der Museumsinsel aufgebaut, um die Spuren eines der spektakulärsten Museumseinbrüche der vergangenen Jahre zu dokumentieren. Ein paar Schaulustige bleiben stehen, während sich der Sprecher der Berliner Polizei bemüht, nicht allzu schwärmerisch zu klingen. Denn was den Dieben da gelungen sei, das habe er noch nicht so oft erlebt, sagt er. Gegen 3.20 Uhr morgens hätten die Täter ein Fenster aufgehebelt, zu dem sie über ein Podest auf der Rückseite des Gebäudes gelangt waren. Im direkt angrenzenden Gleisbett der S-Bahn wurde eine Leiter gefunden, mit der sie die rund drei Meter von der Bahn auf das Podest überwunden hatten. Von dort seien sie durch mehrere Räume ins Münzkabinett gelaufen, sogar das Stockwerk mussten sie dabei wechseln.

Ob sie einen Alarm auslösten, ist noch unklar. Sie zerschlugen jedenfalls eine Panzerglasvitrine, nahmen die Goldmünze mit, die - mit einem Durchmesser von 53 Zentimetern und einer Dicke von drei Zentimetern - kaum einer allein habe stehlen können. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen müssen es mindestens zwei Diebe gewesen sein, die spätestens um 3.45 Uhr wieder verschwunden waren, denn kurz nach vier Uhr beginnt auf den Schienen morgens der Bahnverkehr. "Das hatte schon sehr zielgerichteten Charakter", sagt der Polizeisprecher. "Da springt man nicht mal eben drauf."

Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes soll sich während der Tat im Museum aufgehalten haben, er alarmierte in der Nacht die Polizei. Dass etwas Ungewöhnliches in der Stadt passiert sein musste, merkten die Berliner schon morgens auf dem Weg zur Arbeit. Der S-Bahn-Verkehr war nach dem Fund der Leiter über Stunden unterbrochen, weil die Polizei rund um die Museumsinsel ermittelte. Von den Dieben fehlte zunächst jede Spur.

3,7 Millionen Euro dürfte der Goldwert betragen

Ein Sprecher der Staatlichen Museen zu Berlin sagt, er glaube nicht an einen Versuch von "Artnapping" - dass die Münze also mit dem Ziel gestohlen wurde, sie gegen eine Art Lösegeld wieder zurückzugeben, wie dies bei Museumsdiebstählen oft der Fall ist. Das Stück mit dem Namen "Big Maple Leaf" sei kein Unikat, es gibt weltweit fünf Exemplare davon, "da ging es wohl allein um den materiellen Wert". Der ist allerdings beträchtlich: 3,7 Millionen Euro dürfte der Goldwert betragen. Die Ermittler befürchten deshalb, dass die Täter die Münze einschmelzen wollen. Der eigentliche Nennwert der Münze ist viel geringer, er beträgt eine Million kanadische Dollar, also etwa 700 000 Euro. Geprägt wurde sie im Jahr 2007 von der "Royal Canadian Mint", und zeigt außer dem Bild von Queen Elizabeth II. drei Ahornblätter.

Das Münzkabinett des Bode-Museums ist eine der fünf großen Münz- und Medaillensammlungen weltweit - und eigentlich ein geruhsamer Ort, so erzählt es Karsten Dahmen, einer der Kuratoren. In einem Interview auf der Website der Staatlichen Museen erklärt er, wie er die Sammlung, die eine halbe Million Münzen umfasst, klassifiziert, beschriftet und in eine Datenbank einpflegt. Immer wieder müsse er für Ausstellungen Goldbarren durchs Museum tragen. Der Weg in den ersten Stock könne lang sein, das sei schwerer, als man denkt. Es war dann aber offenbar nicht schwer genug. An diesem Dienstag soll das Museum, das montags geschlossen ist, wieder öffnen. Es muss ja weitergehen: der Muse und der Moneten wegen.

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