Bergungsarbeiten nach Erdbeben:Mehr als 1100 Nachbeben erschüttern Südchina

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Erdbeben in Südchina: Zur Anzahl der Opfer gibt es unterschiedliche Angaben.

(Foto: dpa)

Die südchinesische Provinz Sichuan kommt nach dem gestrigen Erdbeben nicht zur Ruhe: 17.000 Soldaten und Polizisten suchen nach Überlebenden. Nachbeben und Erdrutsche verschlimmern die Situation weiter.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Knapp einen Tag nach dem verheerenden Erdbeben in der südchinesischen Provinz Sichuan suchen tausende Bergungskräfte noch immer fieberhaft nach Überlebenden. In der Nacht zum Sonntag spürten sie in den zerstörten Dörfern des Tibetischen Plateaus Verschüttete auf, bis zum Morgen konnten 91 Menschen nach Behördenangaben lebend aus den Trümmern geborgen werden.

Zur Anzahl der Opfer gibt es verschiedene Informationen. Die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua spricht von mindestens 160 Toten und 6700 Verletzten. Die französische Nachrichtenagentur AFP berichtet von 179 Toten und knapp 7000 Verletzten, Reuters aus London hingegen spricht von 167 Toten und 6700 Verletzten.

Das Beben von einer Stärke zwischen 6,6 und 7,0 hatte am Samstagmorgen kurz nach 08.00 Uhr (2.00 Uhr MESZ) die unwegsame Region erschüttert. Mindestens 10.000 Häuser wurden zerstört, Erdrutsche richteten schwere Schäden an. Seitdem wurden mehr als 1100 Nachbeben gezählt. Unterstützt von 17.000 Soldaten und Polizisten und fünf Aufklärungsdrohnen arbeiteten die Bergungskräfte rund um die Uhr, räumten Straßen frei, wühlten sich durch Trümmer, verarzteten Verletzte. Ein Militärfahrzeug mit 17 Soldaten kam von der Straße ab, dabei wurde nach Angaben der Nachrichtenagentur Xinhua ein Soldat getötet. Einer chinesischen Zeitung zufolge wurde eine 30-jährige Schwangere lebend aus den Trümmern gerettet.

"Es war, als würde der Berg lebendig"

Chinas neuer Regierungschef Li Keqiang traf noch am Samstag in der Unglücksregion ein. Er wies die Bergungsteams an, keine Zeit zu verlieren - vor allem in den ersten 24 Stunden hätten Verschüttete noch gute Überlebenschancen. Die Lage in den Griff zu bekommen, habe für seine Regierung Priorität, sagte Li. Das Staatsfernsehen zeigte den Ministerpräsidenten am Sonntag beim Frühstücken in einem Zelt. Auch Staatspräsident Xi Jinping gab Anordnung, alles zu tun, um die Zahl der Opfer so gering wie möglich zu halten.

Im Krankenhaus von Lushan liefern die Ambulanzen immer noch Verletzte an. Die meisten Opfer wurden in rasch aufgestellten Zelten verarztet. Eine 68-jährige Patientin mit gebrochenem Arm schilderte ihre Eindrücke, als die Erde plötzlich zu beben begann. "Es war, als würde der Berg lebendig", sagte sie AFP. Jetzt wisse sie nicht mehr weiter, sie habe alles verloren. Der 48-jährige Wanderarbeiter Xia Donghai konnte seine Familie per Telefon nicht erreichen, daraufhin eilte er von der nördlichen Provinz Hebei bis nach Lushan. Seine Angehörigen hatte er bis zum Morgen noch nicht gefunden.

Lokalreporterin unterbricht eigene Hochzeit

Die Anteilnahme im In- und Ausland war groß. Eine Lokalreporterin brach ihre eigene Hochzeit ab, um - noch im Brautkleid - über die Katastrophe zu berichten. Bundeskanzlerin Angela Merkel bot ebenso wie der russische Präsident Wladimir Putin Hilfe an, selbst Japan vergaß seine Territorialstreitigkeiten mit dem Nachbarn und bot Unterstützung.

Das Beben rief Erinnerungen an den Mai 2008 wach, als die Provinz von einem noch heftigeren Erdbeben erschüttert worden war. Nach amtlichen Angaben gab es damals 87.000 Tote und Vermisste. Für besondere Empörung sorgte die große Zahl an Kindern, die in ihren Schulen verschüttet wurden. Dass vor allem Schulen einstürzten, führte zu dem Verdacht, dass Beamte und Baufirmen bei ihrem Bau gepfuscht hatten, um das Geld in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Erdbebenland China

China zählt zu den am meisten von Erdbeben gefährdeten Ländern. Die schwerste Naturkatastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg war am 27. Juli 1976, als in Tangshan im Nordosten des Landes mindestens 255.000 Tote zu beklagen waren. Andere Schätzungen gehen sogar von bis zu 700.000 Todesopfern aus. Im September 2012 bebte die Erde in einer der ärmsten Regionen Chinas gleich zweimal: Mehr als 80 Menschen kamen bei zwei Erdbeben an einem Tag in den Provinzen Yunnan und Guizhou ums Leben. Mehr als 800 Menschen wurden verletzt und mehr als 400.000 Häuser zerstört. Die Stärke der beiden Beben lag zwischen 5,6 und 5,7.

Im April 2010 starben bei einem verheerenden Erdbeben auf dem tibetischen Hochplateau knapp 2700 Menschen. In Zentralchina gab es im Februar 1996 etwa 300 Todesopfer nach Erdstößen der Stärke 7,0. 3700 Personen wurden schwer verletzt. Im Nordwesten der Provinz Yunnan wurden mehr als 260.000 Menschen obdachlos.

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