Eigentlich sollen Priester für andere da sein, ihnen Rat und Lebenshilfe bieten. Wenn sie selbst Hilfe brauchen, ist Wunibald Müller da. Der 65-Jährige ist katholischer Theologe und Psychologe. Er leitet das Recollectio-Haus in Münsterschwarzach, eine Einrichtung, in der Ordensleute und Priester in seelischen Nöten seit 25 Jahren therapeutische Hilfe finden. Wichtiges Thema dort: der Umgang mit dem Zölibat.
Zu Beginn kamen deutlich mehr Frauen - Nonnen und kirchliche Mitarbeiterinnen. Das hat sich geändert. Mittlerweile sind auch viele Männer zu Gast in Münsterschwarzach. "Wir versuchen, den Seminarteilnehmern zu zeigen, dass sie eine innere und eine äußere Person haben. Die äußere funktioniert meist gut, die innere kommt oft zu kurz. Es gilt, diese innere Person besser kennenzulernen: ihre Bedürfnisse, Sehnsüchte, auch Triebe", beschreibt Müller das Therapiekonzept und betont: "Auch wer zölibatär lebt, braucht Intimität."
Mit seinem Therapiekonzept aus Spiritualität und Therapie und seinen Aussagen zu Homosexualität eckt Müller an. Besonders beim Vorgänger von Papst Franziskus. In den Gemeinden ist man jedoch froh über den umtriebigen Theologen.
Nach dem Suizid eines Priesters breitet der Passauer Bischof Stefan Oster in der Trauerrede intime Details aus. Darf er das?
Müller findet: Gerade Priester und Ordensleute müssten wissen, was es heißt, "wenn die Lust über einen kommt". Nach jahrzehntelangen Beratungsgesprächen kommt der Theologe zu dem Schluss: "Es sollte verheiratete wie unverheiratete Priester geben, homosexuelle wie hetereosexuelle."
Das hat er auch an Papst Franziskus in einem Brief geschrieben. Was dieser geantwortet hat und warum es wichtig ist, dass sich auch katholische Priester mal verlieben, lesen Sie im SZ-Interview.
