Benedikt XVI. in Köln:"Lasst Euch von Christus überraschen"

Ein Meer von Jubel: Tausende Teilnehmer des Weltjugendtages haben die Rheinwiesen bevölkert, die Straßen um den Kölner Dom gesäumt und geduldig auf den ersten Auftritt des deutschen Papstes gewartet.

"Papa", "Benedicto" und "Benedetto" jubelten die Massen Benedikt XVI. zu, den seine erste Auslandsreise als Papst ausgerechnet in sein Heimatland und zu dem dortigen Weltjugendtag führte.

Benedikt XVI. in Köln: Warten auf den Heiligen Vater: Die Rheinwiesen in Köln.

Warten auf den Heiligen Vater: Die Rheinwiesen in Köln.

(Foto: Foto: dpa)

"Gott, er ist einfach großartig", meinte David (21) aus Los Angeles. Ob am Rheinufer, wo er vom Schiff herab zu den Menschen beim Begrüßungsfest sprach, vor dem Kölner Dom oder bei seiner Fahrt durch die Innenstadt im Papamobil - überall zeigte sich das selbe Bild: Strahlende Gesichter, winkende junge Menschen, die ihre Begeisterung mit lautem Jubel herausriefen.

Der erste deutsche Papst seit fast 500 Jahren zog die Gläubigen, die aus 197 Ländern zum Weltjugendtag gekommen waren, in seinen Bann. "Er ist ein guter Papst für uns alle, weil er die Jugend schätzt und weiß, dass wir die Kirche sind", sagte die Studentin Laura Sinas aus Chicago.

"Er ist für mich das Symbol der Einheit, denn er steht für alle Nationen und alle Generationen", schwärmte Pierre Tambada Mansare aus dem afrikanischen Guinea. "Für niemand anderen auf der Welt würde ich mir so ein stundenlanges Gedrängel antun, aber er ist eben unser Heiliger Vater", jubelte Dave Constanzo aus New Jersey, der schon seit dem frühen Morgen in der Hitze vor dem Kölner Dom ausgeharrt hatte, um einen Blick auf den Pontifex zu werfen.

An seinem ersten Besuchstag schien der Papst beim christlichen Nachwuchs gut anzukommen: "Dass der Papst hier ist und wie er sich gibt, macht mir irgendwie Mut und Kraft", freute sich Christoph Mendich. "Ob der Papst aus Deutschland kommt oder einem anderen Land, ist mir ganz egal", sagte der Kölner. "Er scheint mir direkter zu sein als sein Vorgänger, nicht so politisch, und vielleicht auch nicht so medienwirksam", meinte der italienische Student Francesco.

Auch der Papst genoss das Bad in der Menge an dem strahlenden Sommertag sichtlich. Immer wieder winkte er in die Menschenmassen, die ihm überall mit ohrenbetäubenden Freudengrüßen empfingen.

Unermüdlich lächelte er in die Pilgerscharen und schüttelte am Abend im Kölner Dom Hände. Der frühere Kardinal Josef Ratzinger (78) suche die Nähe zu der Jugend ganz besonders auf dem Weltjugendtag, hatte Geschäftsführer Hermann-Josef Johanns noch kurz vor Eintreffen des Pontifex am Donnerstagmittag am Köln-Bonner-Flughafen betont.

An dem Tag des historischen Besuchs herrschte in Köln praktisch der Ausnahmezustand. Straßen, Plätze und Brücken waren gesperrt. Über dem Kölner Himmel kreisten Bundeswehr- und Polizeihubschrauber, Pilger und Passanten mussten zahlreiche Sicherheitskontrollen über sich ergehen lassen.

Als Benedikt der XVI. am Nachmittag zu seiner Schiffsfahrt auf dem Rhein startete, wurde der Verkehr für alle anderen Schiffe eingestellt. Mehr als hunderttausend junge Gläubige säumten allein auf den Poller Wiesen das Rheinufer und schwenkten ihre Nationalflaggen.

Stellenweise verwandelte sich die Euphorie allerdings auch in Hysterie. Einige junge Christen weinten oder schluchzten, als sich der Papst näherte, manche kollabierten sogar. Die 405.000 Pilger aus aller Welt freuen sich nun auf den Höhepunkt des Weltjugendtages, den Papst-Gottesdienst auf dem Marienfeld, westlich von Köln, am Sonntag.

"Ich bin sehr gespannt auf die Messe, um genauer zu erfahren, wofür der Papst steht. Ich höre, er ist konservativ, das finde ich gut", meinte Gabriela Faras aus Mexiko. "Wir brauchen die Tradition und die Standhaftigkeit der Kirche in den Zeiten von Globalisierung und Modernisierung", meinte die 22-jährige Studentin.

Auch ihr Freund Abraham will zu dem Gottesdienst pilgern: "Ich bin nach Deutschland gekommen, um den Papst zu sehen. Selbst wenn es noch enger werden sollte als heute, gehe ich dorthin. So etwas vergisst man nie im Leben."

"Lasst Euch von Christus überraschen"

Vom Schiff hatte der deutsche Pontifex der jubelnden Menge am Ufer zugerufen, das "außerordentliche spirituelle Erbe" seines Vorgängers Johannes Pauls II. als Verpflichtung zu begreifen: "Nun haben wir alle zusammen die Aufgabe, seine Lehre in die Tat umzusetzen."

Benedikt XVI. in Köln: Ansprache am Flughafen: Papst Benedikt XVI.

Ansprache am Flughafen: Papst Benedikt XVI.

(Foto: Foto: dpa)

Der Heilige Vater forderte die Jugend auf, sich auf christliche Werte zu besinnen. "Reißt Euer Herz weit auf für Gott, lasst Euch von Christus überraschen", so das Oberhaupt der katholischen Kirche hunderttausenden am Ufer versammelten Weltjugendtags-Pilgern.

Benedikt XVI. rief den jungen Menschen auf den Poller Rheinwiesen in Erinnerung, sie seien als "Pilger in der Gefolgschaft der Heiligen Drei Könige aus verschiedenen teilen Deutschlands, Europas und der Welt gekommen".

"Indem ihr ihren Spuren folgt, wollt ihr Jesus entdecken", sagte der Papst in seiner in fünf Sprachen gehaltenen Predigt. Der Weltjugendtag steht unter dem Motto "Wir sind gekommen, um IHN anzubeten". Das Zitat erinnert an die biblische Erzählung der Heiligen Drei Könige, deren Reliquien seit dem Mittelalter in Köln aufbewahrt werden und die Domstadt zu einer der größten Wallfahrtsstädte der Welt gemacht haben.

In seiner abwechselnd auf Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch gehaltenen Rede betonte der Heilige Vater, viele Weltjugendtags-Teilnehmer seien gekommen, weil sie unruhig seien über den Zustand der Welt und sich fragten, wo sie Maßstäbe für ihr Leben finden könnten.

Sie stünden vor der Frage, ob sie ihren Leidenschaften folgen sollten, oder ihrem Gewissen.

"Wer Christus in sein Leben eintreten lässt, verliert nichts, - absolut nichts von dem, was das Leben frei, schön und groß macht. Nein, nur in dieser Freundschaft erschließen sich wirklich die großen Möglichkeiten des Menschsein", betonte der Papst.

Christus allein schenke der Menschheit Leben in Fülle. "In diesen Tagen lade ich Euch ein, Euch rückhaltlos dem Dienst Christi zu widmen, koste es, was es wolle", sagte Benedikt XVI..

Ausdrücklich begrüßte der Papst in seiner Rede auch diejenigen unter den Zuhörern, die nicht getauft seien und in der Kirche nicht zu Hause seien. "Gerade an Euch hat Papst Johannes Paul eine besondere Einladung zu diesem Treffen gerichtet", betonte der Papst. Denn das Miteinander auf dem Weltjugendtag biete die Möglichkeit, die Kirche als einen Ort der Barmherzigkeit und der Freude zu erfahren.

Nach der Rheinfahrt fuhr das Kirchenoberhaupt von weltweit einer Milliarde Katholiken aus Sicherheitsgründen mit dem "Papamobil" zum Kölner Dom. Das letzte Stück ging er zu Fuß, begleitet von jungen Menschen mit dem Kreuz des Weltjugendtags.

Unter dem Jubel von tausenden Menschen und Chorgesang im Gotteshaus schritt er zum goldenen Dreikönigsschrein und betete als Pilger kniend vor dem Altar. Nach kirchlicher Überlieferung enthält der Schrein die Knochen der biblischen Heiligen Drei Könige, der ersten Pilger des Christentums.

Anschließend segnete Benedikt die 50.000 Menschen vor dem Dom und fuhr dann im Papamobil durch die Kölner Altstadt zum Erzbischöflichen Haus, wo er während des Besuchs wohnt. Auf dem gesamten Weg winkten ihm Menschen begeistert zu.

Für den Papst gilt in Köln die höchste Sicherheitsstufe. Gullydeckel wurden verschweißt, Brücken zeitweise gesperrt und Flugverbote verhängt.

Ratzinger war vormittags auf dem Flughafen Köln-Bonn gelandet. "Das ist ein großer, ein schöner Tag für uns alle", sagte Bundespräsident Horst Köhler. Hunderte Zuschauer, darunter viele Teilnehmer des Weltjugendtages, klatschten Beifall, machten La-Ola- Wellen und riefen "Be-ne-detto".

In seiner ersten Rede auf deutschem Boden dankte Benedikt XVI. Gott für die Fügung, dass seine erste Auslandsreise ihn zum XX. Weltjugendtag in seine Heimat führe. Johannes Paul II. hatte noch zu dem Treffen eingeladen. Benedikt XVI. rühmte die Tradition der Weltoffenheit und Solidarität der Deutschen insbesondere zu Gunsten der Dritten Welt.

Der Papst rief dazu auf, auch in Zukunft zu einer gerechten und solidarischen Welt beizutragen. Er bete für die Zukunft des Landes. "Gott schütze die Bundesrepublik Deutschland!" Die Begegnung so vieler Jugendlicher beim Weltjugendtag sei ein Zeichen für die Vitalität der Kirche.

"Ich bin glücklich, mitten unter den Jugendlichen zu sein, ihren Glauben, so Gott will, zu stützen und ihre Hoffnung zu beleben." Zugleich sei er auch sicher, auch etwas von den jungen Leuten zu empfangen, vor allem von ihrer Begeisterung, ihrer Einfühlsamkeit und ihrer Bereitschaft, sich mit den Herausforderungen der Zukunft auseinander zu setzen."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: