Belgien:Vatikan kritisiert ersten Fall von Sterbehilfe für Minderjährige

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Mit diesen "Euthanasie-Kits" können belgische Ärzte ihren Patienten beim Sterben assistieren. (Foto: dpa)
  • Die Italienische Bischofskonferenz verurteilt den ersten Fall von Sterbehilfe für Minderjährige in Belgien als "Signal des Todes".
  • Das belgische Sterbehilfegesetz nehme Kindern das Recht auf Leben, kritisiert der Kardinal Elio Sgreccia.
  • Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert eine Reaktion der europäischen Institutionen, da Belgien "die menschenrechtlichen Standards der EU" verlassen habe.

Der erste Fall von Sterbehilfe für Minderjährige in Belgien hat heftigen Protest von Kirchenvertretern und Patientenschützern hervorgerufen. Das belgische Sterbehilfegesetz nehme Kindern das Recht auf Leben, kritisierte der Kardinal und emeritierte Kurienerzbischof Elio Sgreccia bei Radio Vatikan. Am Samstag war bekanntgeworden, dass in Belgien eine minderjährige Person mit ärztlicher Hilfestellung gestorben war.

Damit hätten Ärzte erstmals die gesetzlich erlaubte Sterbehilfe für Minderjährige angewandt, bestätigte der Vorsitzende der staatlichen Sterbehilfekommission, Professor Wim Distelmans. Er sei innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von dem Fall unterrichtet worden. Die Patientin oder der Patient war den Angaben zufolge todkrank und wäre bald 18 Jahre alt und damit volljährig geworden. Ein gesetzlich vorgeschriebener Bericht zu dem Fall werde in Kürze vorgelegt.

"Ein Signal des Todes"

"Diese Entscheidung wendet sich nicht nur gegen die Empfindungen aller Religionen, die sämtlich ihre Stimme in Belgien erhoben haben, sondern auch gegen den menschlichen Instinkt", sagte Kardinal Sgreccia. Vor allem verletzlichen Minderjährigen müsse mit Medikamenten und mit moralischem, psychologischem und spirituellem Beistand geholfen werden.

Umstrittene Entscheidung
:Erste minderjährige Person erhält Sterbehilfe in Belgien

Seit 2014 dürfen in dem EU-Staat unheilbar kranke Kinder und Jugendliche sterben, wenn die Eltern zustimmen.

Die Italienische Bischofskonferenz verurteilte den Fall als "Signal des Todes". Das Leben sei "heilig und muss immer angenommen werden", sagte der Vorsitzende, Kardinal Angelo Bagnasco. Er rief Gläubige und Ungläubige auf, dem Leben durch ihr konkretes Zeugnis einen unantastbaren Wert zu geben.

"Die Tötung auf Verlangen von Kindern hat nichts mit würdigem Sterben zu tun", kritisierte auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. "Damit verlässt der Beneluxstaat die menschenrechtlichen Standards der EU. Aber die europäischen Institutionen schweigen." Weder Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) noch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz oder EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker seien zu diesem Thema zu hören. "Tötung auf Verlangen ist offenbar kein Aufreger mitten in Europa", kritisierte Brysch.

Belgien ist das einzige Land, das Sterbehilfe für Kinder jeden Alters erlaubt

In Belgien ist seit 2002 ein Sterbehilfegesetz in Kraft, das als besonders liberal gilt. Es erlaubt Ärzten die Tötung auf Verlangen von erwachsenen, unheilbar kranken Patienten, sofern Mediziner ihnen unerträgliche Leiden bescheinigen. Anfang 2014 dehnte das Parlament die Sterbehilfe auf Minderjährige aus. Belgien ist damit das einzige Land weltweit, das Sterbehilfe für Kinder jeden Alters legalisiert hat.

Voraussetzung ist, dass das Kind nachweislich eine rationale Entscheidung getroffen hat und im Endstadium einer unheilbaren Krankheit mit unerträglichen und nicht zu lindernden Schmerzen ist. Die Entscheidung muss von Ärzten, Psychologen und Eltern unterstützt werden. Auch die Niederlande erlauben Sterbehilfe für Kinder. Dort müssen die Patienten allerdings mindestens zwölf Jahre alt sein.

"Glücklicherweise gibt es nur wenige Kinder, auf die das zutrifft, aber das bedeutet nicht, dass wir ihnen das Recht auf einen würdevollen Tod verwehren sollten", sagte Distelmans der Zeitung Het Nieuwsblad, die als erste über den Fall berichtet hatte. Aktive Sterbehilfe ist in den meisten Ländern verboten. In der Europäischen Union erlauben nur die Niederlande, Luxemburg und Belgien ausdrücklich die Tötung auf Verlangen. Die passive Sterbehilfe, der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen, ist in vielen Ländern erlaubt oder wird geduldet - auch in Deutschland.

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