Befragung in der katholischen Kirche:Den Leib bejahen

Vollversammlung Deutsche Bischofskonferenz

Vollversammlung Deutsche Bischofskonferenz Bischöfe: Die Lehre und die Lebenspraxis in der katholischen kirche klaffen weit auseinander.

(Foto: dpa)

Nichteheliche Kinder, Scheidung oder Homosexualität: Der Papst wollte wissen, wie Gläubige in "irregulären Ehesituationen" leben und hat eine weltweite Umfrage gestartet. Das Ergebnis: Der Graben zwischen Lehre und Lebenspraxis ist tief. Die katholischen Bischöfe in Deutschland fordern einen Neuansatz.

Von Matthias Drobinski

Tausende Katholiken haben dem Papst und den Bischöfen gesagt, wie wenig sie von der kirchlichen Sexual-, Ehe- und Familienlehre halten - als Konsequenz regen nun die Bischöfe in Deutschland eine "Neuorientierung der Pastoral", also der Seelsorgepraxis, in diesem Bereichen an. So steht es in einer Zusammenfassung der Antworten aus den deutschen Bistümern auf die Fragen, die Papst Franziskus zur Vorbereitung der Synode zu Ehe und Familie hatte veröffentlichen lassen. Das Dokument hat die Bischofskonferenz vergangenen Freitag nach Rom geschickt.

"Die Antworten aus den Bistümern machen deutlich, wie groß die Differenz zwischen den Gläubigen und der offiziellen Lehre vor allem hinsichtlich des vorehelichen Zusammenlebens, der wiederverheirateten Geschiedenen, der Empfängnisregelung und der Homosexualität ist", heißt es in dem Text. Es gelte "im Bereich der Sexual-, Ehe- und Familienethik" einen "Duktus zu finden, der sich vom Vorurteil der Leibfeindlichkeit und einer lebensfeindlichen Gesetzesethik zu befreien vermag". Statt der "Betonung von kasuistischen Einzelfragen" müsse es darauf ankommen, "die zentrale Botschaft der Kirche von Ehe und Familie in ihrer unbedingten Bejahung des Lebens und des Leibes in einladender Weise zu vermitteln". Ein "Neuansatz" erscheine auch "im Hinblick auf die Beurteilung des ,Scheiterns' menschlicher Beziehungen unabdingbar".

Papst Franziskus hatte Anfang November einen Fragenkatalog an die Bischöfe der Welt geschickt und sie gebeten, auch die Meinung der Gläubigen zu erfragen. In Deutschland haben sich Tausende Katholiken an der Umfrage beteiligt, teils über das Internet, teils über katholische Verbände und Gemeinden. Eine Reihe von Bistümern hat bereits teils sehr ausführliche Auswertungen der Antworten veröffentlicht. Die bundesweite Zusammenfassung bestätigt noch einmal, wie tief der Graben zwischen der kirchlichen Lehre zu Sexualität, Ehe und Familie und den Auffassungen sowie der Lebenspraxis der Gläubigen ist.

Geschiedene fühlen sich ausgegrenzt

Die Idee der Ehe, die ein Leben lang hält, in der die Partner einander treu sind und Kinder wollen, sei durchaus akzeptiert, erklären die Bischöfe; "die kirchlichen Aussagen zu vorehelichem Geschlechtsverkehr, zu Homosexualität, zu wiederverheirateten Geschiedenen und zur Geburtenregelung" würden dagegen "überwiegend explizit abgelehnt"; das katholische Familienbild wirke "auf viele zu idealistisch und lebensfern". Außerhalb der Kirche würde ihre Lehre als "reine Verbotsmoral" wahrgenommen. In den Gemeinden seien Geschiedene, die wieder heiraten, "zu einem selbstverständlichen Teil der pastoralen Realität" geworden - die Betroffenen betrachteten, anders als die Kirche, ihre Lebenssituation nicht mehr als "irregulär". Sie fühlten sich allerdings durch den Ausschluss von den Sakramenten "diskriminiert und ausgegrenzt".

Die Bischöfe räumen auch ein, dass sie sich mit ihrer Ablehnung der rechtlichen Gleichstellung von Ehe und homosexuellen Partnerschaften "kaum gesellschaftliches Gehör verschaffen" können und hier politisch faktisch gescheitert sind; auch bei den Katholiken gebe es "eine deutliche Tendenz, die rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften und deren Gleichbehandlung gegenüber der Ehe als ein Gebot der Gerechtigkeit zu betrachten".

Die Zusammenfassung betont, dass viele Katholiken ihre Kirche als "familienfreundliche Institution" schätzten und das Beratungsangebote in Krisen durchaus angenommen würden. Insgesamt aber müsse sich die Seelsorge "stärker als bisher um eine Wegbegleitung von Eheleuten" bemühen.

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