Bay City Rollers:Willst Du Money, Honey?

Seit 25 Jahren warten die "Bay City Rollers" auf ihre Tantiemen, nun verschickt der Musikkonzern SonyBMG den ersten Scheck. Von Detlef Esslinger.

Er hat das Internet-Café am Münchner Hauptbahnhof vorgeschlagen, und er hat einen Rucksack dabei. Les McKeown, 49, ist mit dem Zug aus Bad Tölz gekommen, wo er in der Nähe einen Bauernhof gemietet hat.

Aus dem Rucksack zieht er ein Kuvert, darin befinden sich die Versuche, endlich an sein Geld zu gelangen: Briefe an die Plattenfirma, an Wirtschaftsprüfer, an Kriminalbehörden. So viele Briefe hat McKeown geschrieben, dass er schon ahnte, nicht alle dabei zu haben. Die, die fehlen, holt er nun aus seinem E-Mail-Postfach.

Was er aber kaum bieten kann, sind Antwortschreiben. Entweder hat er keine bekommen, oder sie sind nichts sagend. Mit Ausnahme eines zweizeiligen Briefs aus Los Angeles. Diesem war die Kopie eines Schecks an ihn und seine alten Kollegen beigefügt - über 456.330, 67 Dollar.

Was bisher geschah: Im Juli vergangenen Jahres berichtete die Süddeutsche Zeitung über Les McKeown, der in den siebziger Jahren der Sänger der Bay City Rollers war, der damals beliebtesten Teenagerband der Welt. McKeown äußerte seinen Zorn, dass er und die anderen Rollers seit 25 Jahren von ihrem Plattenkonzern, der Bertelsmann Music Group (BMG), keine Tantiemen bekommen.

Von der Band wurden weltweit 300 Millionen Platten verkauft; immer noch bringt BMG neue CDs mit alten Hits ("Bye, Bye Baby", "I Only Wanna Be With You", "Money Honey") auf den Markt. Eine schaffte es im Mai 2004 sogar auf Platz elf der britischen Charts.

"Mein verdammtes Geld"

McKeowns Thema war und ist seit mehr als 25 Jahren: "Ich will mein verdammtes Geld." Die Pointe im vergangenen Juli jedoch bestand darin, dass es nach dem Gespräch mit ihm in London nur weniger Anrufe und E-Mails der SZ bei BMG in New York bedurfte, um dort die Auskunft zu erhalten: Die Tantiemen könnten wegen eines Krachs unter den Musikern nicht bezahlt werden; eines Krachs über die Frage, wem welcher Anteil an den Tantiemen zustehe. "Und deshalb wird das Geld von uns auf einem Treuhandkonto geparkt. Bis die ihre Angelegenheiten geklärt haben."

Seitdem ist Bewegung in die Sache gekommen, wenngleich sich noch nicht sagen lässt, mit welchem Ergebnis. Einerseits bestand für den Konzern keine Notwendigkeit, ein Treuhandkonto zu offenbaren - man hätte mit dem Hinweis auf Vertragsgeheimnisse schweigen können. Andererseits schickte anschließend weder der damalige BMG-Chef Rolf Schmidt-Holtz noch sonst jemand McKeown auch nur eine Eingangsbestätigung, als er den Konzern beim Wort nahm und ihm einen Vertrag von 1979 schickte.

Die fünf Rollers sind zwar ein seit Jahrzehnten zerstrittener Verein, aber in jenem Vertrag regelten sie damals, wem welcher Anteil an den Tantiemen zusteht. Am 22. September, nach Anfragen der SZ, die ebenfalls unbeantwortet blieben, stellte die BMG-Tochterfirma Arista bei der Chase Manhattan Bank Delaware den Scheck mit der Nummer 100063936 aus. Der jedoch hat McKeowns Misstrauen, was BMG betrifft, nur vergrößert.

Es wäre wohl jeder perplex, erhielte er plötzlich einen Scheck über 456.330,67 Dollar - vor allem, wenn er seinen Anspruch auf einen zweistelligen Millionenbetrag schätzt. Und erst recht, wenn der Scheck an einen Anwalt in Los Angeles geschickt wird, Bill Sobel, welcher vor zwanzig Jahren die Band vertrat, nun aber seine ehemaligen Klienten per Internet auftreiben muss.

20 Seiten Abrechnung

Keine Erklärung ist dem Scheck beigefügt, bloß 20 Seiten Abrechnungen, die die Summe plausibel machen sollen. Die Tantiemen stammen aus Verkäufen, die 1997 bis 2003 in den USA erzielt wurden. Keine Angaben über die Zeit von 1979 bis 1996, keine über Verkäufe in Australien, Deutschland, Großbritannien und Japan, in denen die Rollers Stars waren. McKeown sagt: "Dies ist eine beschämend kleine Summe."

Es dauert daraufhin etliche Wochen, bis BMG, inzwischen mit dem japanischen Konzern Sony Music zu SonyBMG fusioniert, eine Erklärung gibt. Denn im Grunde passt der Scheck nicht zu der Aussage vom Juli, die Musiker seien verkracht, und darum könne alles Geld nur auf ein Treuhandkonto fließen.

Willst Du Money, Honey?

Entweder stimmt das, dann dürfte SonyBMG nicht einen Cent zahlen. Oder es stimmt nicht, dann müsste der Konzern alles überweisen. Erst nach mehreren Nachfragen sagt Unternehmenssprecher Nathaniel Brown der SZ: "Der Scheck zeigt den guten Glauben von SonyBMG, die Angelegenheit in naher Zukunft regeln zu können." Der Anwalt müsse aber ebenfalls ein Treuhandkonto einrichten und die 456.330,67 Dollar bis zur endgültigen Klärung der Sache dort parken.

SonyBMG hat, wie die ganze Branche, einen Ruf zu verlieren - ist es doch noch kein Jahr her, dass Sony, BMG und andere Musikkonzerne einen Vergleich mit dem Generalstaatsanwalt des US-Staats New York, Eliot Spitzer, abschlossen. Die Konzerne zahlten 50 Millionen Dollar an die Künstler, im Gegenzug stellte Spitzer seine Ermittlungen ein.

Diesen zufolge verweigerten die Konzerne über Jahre Tantiemen, mit dem Argument, man habe den Kontakt zu den Musikern verloren. Zu den Verschollenen gehörten David Bowie, Harry Belafonte und Sean Combs. SonyBMG hat auf seiner Website nun einen Link für Künstler eingerichtet, die Tantiemen reklamieren wollen. Zu schön, um wahr zu sein

Alter Vertrag ungültig?

Den Vertrag der Rollers von 1979 indessen hält man in dem Konzern für ungültig, da er nicht mit BMG abgeschlossen wurde, sondern mit einer Rechtefirma, die es nicht mehr gibt. Für ebenso unbrauchbar wird ein Vertrag von 1981 erachtet, der zwar mit Arista abgeschlossen wurde, ohne aber zwei Musiker zu umfassen, die Mitte der Siebziger kurz dazugehörten. "Wir wollen die Sache als Ganzes lösen, und nicht teilweise", heißt es in New York; die Band-Mitglieder müssten eine neue Anweisung aufsetzen, wer wie viel zu bekommen hat.

Aber aus den großen Zeiten der Rollers sind weitere Verträge übrig, die nun in dem Unternehmen alle durchforstet werden. Nach SZ-Informationen hat Emio Zizza, der Chef der Arista-Rechtsabteilung, dem Anwalt Sobel aus Los Angeles mitgeteilt, diese internen Recherchen sollten bis Ende Februar abgeschlossen sein. Die Band-Mitglieder könnten schon mal ein Konto für die Zahlungen einrichten.

Les McKeown sagt, er will das alles nicht so recht glauben. All die Millionen sollen jetzt fließen, einfach so? Zu schön, um wahr zu sein, eigentlich. Auf jeden Fall will er nun keinen Fehler machen. Würde er besagten Scheck annehmen, könnte dies von einem US-Gericht als Einwilligung zu einem Vergleich interpretiert werden. Die Rollers wollen die Post aus Delaware nur akzeptieren, wenn sie damit ihren Anspruch auf das restliche Geld, die Millionen, behalten.

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