Bahn:Wuppertal ohne Halt

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Die Großstadt ist während der Osterferien nahezu vollständig vom Bahnverkehr abgeschnitten, weil ein Stellwerk erneuert werden soll. Im Sommer aber wird es sogar noch schlimmer werden, kündigt die Bahn an.

Von Jan Bielicki, Wuppertal

Ob dieser Bus zum Hauptbahnhof Wuppertal fahre? "Oberbarmen, direkt", raunzt die Busfahrerin. Und der dahinter? "Auch Oberbarmen, direkt!" Die Fahrerin schließt die Tür, zurück am Straßenrand vor Düsseldorfs Hauptbahnhof bleiben zwei ratlos dreinblickende Reisende mit großen Koffern.

Normalerweise fahren Züge nach Wuppertal, die S-Bahn braucht von Düsseldorf aus eine halbe Stunde. Aber normal ist auf den Bahnstrecken von und nach Wuppertal in diesen Osterferien nichts. Kein Zug fährt mehr nach Wuppertal-Hauptbahnhof, eine Großstadt und ihre 360 000 Einwohner sind fast völlig vom Schienenverkehr abgeschnitten. Und das ist nur der Vorgeschmack auf das, was in den Sommerferien bevorsteht. Dann will die Bahn die Strecke durch die Stadt sogar für sechs Wochen sperren.

Allein am Hauptbahnhof Wuppertal-Elberfeld mit seinem prächtigen, demnächst zur Renovierung anstehenden Empfangsgebäude zählt die Bahn an jedem normalen Tag etwa 40 000 Reisende und Besucher. Nun aber fallen täglich 1000 Züge aus, die Bahnsteige sind verwaist. Die Vollsperrung sei nötig, heißt es bei der Bahn. Ende Juli soll ein neues elektronisches Stellwerk in Betrieb gehen und drei alte ersetzen. 387 Signale und 98 Weichen müssen über 374 Kilometer Kabel an die neue Leitstelle angeschlossen werden. Das alles zusammen mit Gleis- und Oberleitungsarbeiten in einer konzertierten Aktion in den Ferien durchzuziehen, in denen weniger Schüler und Berufstätige unterwegs sind, sei "eine bewusste Entscheidung für die Pendler", sagt ein Bahnsprecher. Dazu kommt: Im engen Tal der Wupper gibt es keine Ausweichstrecke. Und so erreichen nur im Osten der Stadt noch S-Bahnen und Regionalzüge den Bahnhof Oberbarmen. Aber ICEs, andere Fernzüge und der gesamte Schienennahverkehr aus und in Richtung Westen - alles gestrichen. Wer nach Köln oder Düsseldorf will, muss Auto fahren oder sich dem anvertrauen, was unter der Vokabel Schienenersatzverkehr gefürchtet ist.

In Wuppertal sind das Gelenkbusse, die nach Düsseldorf doppelt so lange brauchen wie ein Zug - wenn sie nicht auf der A 46 im Stau stecken bleiben. An einem normalen Werktagsmorgen streben etwa 47 000 Pendler in die Stadt hinein und ebenso viele hinaus, zu Ferienzeiten allerdings deutlich weniger. Immerhin: Das ganz große Chaos blieb in den ersten Tagen der Sperrung daher aus.

Ein Problem ist die Sperrung vor allem für die Attraktionen der Stadt, die auf Besucher gerade in den Ferientagen zählen. Gerhard Finckh, der Direktor des Von-der-Heydt-Museums, hat bereits in mehreren Medien seine Sorge zum Ausdruck gebracht, Besucher zu verlieren, denn: "Wir werben ja sogar damit, dass man mit der Bahn zu uns kommen kann."

"Noch werden wir nicht aus der Luft versorgt", heißt es im Rathaus. "Ein Klops" sei die Sperrung aber schon, eine "Riesenbeeinträchtigung", sagt der städtische Verkehrsbeigeordnete Frank Meyer. Zwar sei die Vollsperrung durchaus nachvollziehbar, aber bei den Ersatzanschlüssen an den Fernverkehr müsse die Bahn "noch viel nacharbeiten - das ist nicht mehr erträglich". Außerdem fordert der städtische Verkehrsverwalter die Bahn auf, mehr Servicepersonal einzusetzen.

Die Bahn beteuert, sie habe sogenannte "Reisendenlenker" entsandt. Doch an diesem Morgen ist weder am Bahnhof Oberbarmen noch am Hauptbahnhof auch nur einer der Frauen und Männer zu sehen, die doch dort eigentlich in leuchtenden Warnwesten irrenden Reisenden den Weg weisen sollen. Und das wäre dringend nötig: Allzu leicht zu übersehen sind manche der Hinweisschilder, viele davon nicht größer als ein Handy. Vertreter von Bahn und Stadt wollen sich nach den Osterferien noch einmal zusammensetzen. Der Beigeordnete Meyer blickt mit Sorge auf den bahnlosen Sommer: "Für sechs Wochen", fürchtet er, "wird das nicht funktionieren."

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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