Bahnchef Grube zu ICE-Pannen:Eine Entschuldigung und ein Aber

Rüdiger Grube meldet sich zu Wort: Der Bahnchef nennt die Vorfälle in den Hitzezügen "unentschuldbar" - aber schließt Wiederholungen nicht aus. Dass die Klimaanlagen in den ICEs bei 32 Grad schlappmachen, rechtfertigt Grube mit internationalen Normen.

Es gibt sicher angenehmere Tätigkeiten, seinen Tag zu beginnen, als sich am frühen Morgen kritischen Journalistenfragen zu stellen. Doch Rüdiger Grube hatte keine andere Wahl: Der Bahnchef höchstpersönlich musste erklären, weshalb in den ICEs reihenweise Klimaanlagen ausfallen - und wieso diese nicht auf Temperaturen jenseits der 32-Grad-Marke ausgerichtet sind.

Gipfeltreffen 'Elektromobilitaet - Wege in die Zukunft sichern'

Der Sommer macht seinem Unternehmen schwer zu schaffen: Bahnchef Rüdiger Grube rechtfertigt sich für die Pannen mit den Klimaanlagen. Unser Foto zeigt den Nachfolger von Hartmut Mehdorn auf dem Weg zu einer Elektromobilitätskonferenz - und dabei wich er allen Hindernissen aus.

(Foto: ddp)

Im Deutschlandfunk nannte Grube die Vorfälle "nicht akzeptabel". Später sagte er nochmals: "Natürlich gibt es hier keine Entschuldigung." Zugleich konnte er weitere Beeinträchtigungen in den nächsten Tagen nicht ausschließen.

Er wies Kritik an der Bahn aber zurück. So sei die Auslegung der älteren Klimaanlagen auf Spitzenwerte von 32 Grad nicht Sache des Unternehmens, sondern entspreche einer internationalen Regelung - jener seit kurzem bekannten Norm 553 der Internationalen Eisenbahnunion UIC. Diese werde bei kommenden Generationen von Zügen automatisch angehoben, versicherte Grube.

Am kommenden Dienstag soll es wegen der Vorfälle dennoch ein Spitzentreffen zwischen Bahnchef Grube, Verkehrsminister Peter Ramsauer und den Obleuten der Fraktionen im Bundestags-Verkehrsausschuss geben. Das Büro des Ausschussvorsitzenden Winfried Hermann von den Grünen bestätigte die Meldung. Die SPD-Fraktion forderte zudem Ramsauer auf, eine Sondersitzung des Bahn-Aufsichtsrates einzuberufen. Darin solle der Bund als Eigentümer der Bahn klären, ob sie "ihre gesetzlichen Verflichtungen als Betreiber für die Sicherheit der Fernverkehrszüge umfasend ernst genommen hat", sagte SPD-Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer der Rheinischen Post.

Am gestrigen Donnerstag hatte Grubes Berater Georg Brunnhuber mit erstaunlicher Offenheit zugegeben: "Zum Zeitpunkt der Planung dieser ICEs ist niemand davon ausgegangen, dass wir einmal Temperaturen von mehr als 35 Grad in Deutschland haben würden." Diese Aussage löste nicht nur bei den Betroffenen Verwunderung aus.

Grube betonte, die Überhitzungen ließen sich auch nicht auf Wartungsfehler zurückzuführen. Er sicherte zu, die Generalüberholung der störanfälligen Reihe ICE 2 beginne in der zweiten Hälfte des Jahres 2010. Bisher sei nicht vorgesehen gewesen, auch die Klimaanlagen zu überholen, weil diese zuvor nicht auffällig geworden seien, doch nun werde analysiert, "ob es nicht besser ist, dass wir auch die Klimaanlage entsprechend überarbeiten".

Die Kritik, die Fehler seien eine Folge des einst geplanten Börsengangs, wies der Nachfolger von Hartmut Mehdorn zurück: Das Unternehmen habe bei Wartungen nicht zu stark gespart. Der Materialaufwand für Fernverkehrszüge sei von 2004 bis 2009 von 298 Millionen auf 405 Millionen Euro gestiegen, der Personalaufwand für die Instandhaltung sei im gleichen Zeitraum von 84 Millionen auf 96 Millionen Euro gestiegen.

Die Bahngewerkschaft Transnet erneuerte eben diesen Vorwurf - und forderte die Bundesregierung indes auf, der Deutschen Bahn angesichts des Hitze-Chaos mehr Geld für Investitionen zur Verfügung zu stellen. Der Bund mache einen großen Fehler, wenn er der Bahn eine jährliche Dividende von 500 Millionen Euro abpresse, sagte Vorstandsmitglied Reiner Bieck der Berliner Zeitung. Die Bahn brauche das Geld für Investitionen.

Bargeld statt Gutschein

Sind Reisegutscheine eine probate Wiedergutmachung für auf einer Bahnreise erlittene Qualen? Es darf wohl bezweifelt werden, dass sich die Hitzeopfer vom vergangenen Wochenende über die von der Bahn als Entschädigung in Aussicht gestellten Fahrgutscheine freuen.

Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert von dem Unternehmen nun, die Fahrgäste aus den überhitzten Zügen deutlich besser zu entschädigen als geplant. "Die Bahn sollte sich großzügig zeigen", sagte der Vorsitzende Karl-Peter Naumann in der ZDF-Sendung Maybrit Illner. "Reisegutscheine sind nicht angemessen."

Die Bahn hat jenen Hitzeopfern, die ärztlich versorgt werden mussten, Fahrgutscheine in Höhe des Anderthalbfachen des ursprünglichen Fahrpreises zugesagt. Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg sagte im ZDF, man wolle auf die Betroffenen zugehen und mit ihnen über eine Wiedergutmachung ins Gespräch kommen.

Am vergangenen Samstag waren in einem überhitzten ICE mit Temperaturen von mehr als 50 Grad mehrere Schüler kollabiert, neun von ihnen mussten in einem Bielefelder Krankenhaus behandelt werden.

Bahn-Vorstand: Keine Einsparungen zu Lasten der Sicherheit

Homburg betonte, die Wartungsvorschriften der Anlagen seien aber eingehalten worden. Die Bahn habe nicht zu Lasten der Sicherheit an irgendeiner Stelle gespart habe. Künftig werde aber bei Neuanschaffungen frühzeitiger geprüft, ob Leistungsmerkmale eingehalten würden.

Wie die Bahn mitteilte, ist in der vergangenen Woche bei 48 Fahrten von Fernzügen die Klimaanlage ausgefallen. Die genaue Ursache für das Versagen ist noch nicht gefunden. Die Bahn hatte kurz nach den dramatischen Ereignissen von Bielefeld eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit den Herstellern gebildet.

Sie entdeckte bei der überwiegend von Ausfällen betroffenen Baureihe ICE 2 weder Mängel bei der Wartung noch bei der Konstruktion. "Wir haben nicht ein defektes Bauteil gefunden", sagte Homburg. "Warum diese Klimaanlagen ausfallen, das ist für uns nach wie vor nicht geklärt."

Pronold legt nach

Offensichtlich entstehe in einem Kühlkreislauf ein Druck, der einen Sensor auslöse. Ab einer Temperaturschwelle von 32 Grad führe dies zu einer Abschaltung der Anlage. Später seien die Anlagen dann aber wieder funktionsfähig.

Reisen mit der Bahn

Man kann in diesen Tagen nie genug Wasser trinken: Eine Reisende nimmt am Bahnhof einen tiefen Schluck aus der Pulle.

(Foto: dpa)

Angesichts der Klimaprobleme der Bahn hat Florian Pronold, bayerischer SPD-Chef und Vizevorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, das Krisenmanagement von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) kritisiert.

Kritik am Krisenmanagement der Bahn

"Von einem Bundesverkehrsminister sollte man erwarten können", dass er sehr schnell aufklärt und alles für die Sicherheit der Passagiere unternimmt, sagte Pronold der Passauer Neuen Presse. Doch Ramsauer habe lediglich gesagt, dass die Züge bei minus 40 Grad ebenso fahren müssten wie bei plus 40 Grad. "Das ist kein besonderer Beitrag zum Krisenmanagement."

Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses Hermann, fordert unterdessen eine Ausrüstung der neuen Züge der Bahn mit leistungsfähigeren Klimaanlagen. Eine Konsequenz aus dem Hitze-Chaos der vergangenen Tage müsse sein, "dass neue Züge auf höhere Temperaturen ausgelegt sind", sagte Hermann der Mitteldeutschen Zeitung.

"Die Klimaanlagen müssen dann bis zu 45 Grad Außentemperatur bewältigen können." Bei der Modernisierung der älteren Züge, vor allem der ICE-2-Flotte, müssten die Klimaanlagen ausgetauscht werden. Neuere Fahrzeuge der ICE-3- und der ICE-T-Reihe sind bis 35 Grad ausgelegt.

Die technische Anpassung werde voraussichtlich "ein jahrelanger Prozess", befürchtete Hermann. "Die Kapazitäten sind begrenzt." Der Grünen-Politiker beschuldigte den ehemaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn, die Bahn ausschließlich mit dem Ziel geführt zu haben, "sie an die Börse zu bringen. Da wurde nur das Nötigste investiert, weil alles andere die Bilanzen versaut hätte."

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