Australischer Kriminalfall Azaria:Todesursache Dingo-Angriff

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Wegen Mordes an ihrem Baby Azaria saß Lindy Chamberlain drei Jahre im Gefängnis - zu Unrecht: Mehr als 30 Jahre nach dem Verschwinden des Säuglings bestätigt ein australisches Gericht das, was die Mutter von Anfang an behauptete.

Neun Wochen ist Azaria Chamberlain alt, als sie 1980 verschwindet. In den 32 Jahren danach hat sie nicht nur Australiens Rechtsgeschichte mit geschrieben, sondern auch etliche andere Diskurse geprägt - von Tischgesprächen in den Familien bis hin zu Sicherheitsvorkehrungen für Campingtouristen.

Nach mehr als drei Jahrzehnten voller Gerichtsprozesse und Mythenbildung ist Azarias Schicksal nun juristisch endgültig geklärt: Sie wurde von Dingos, wilden Hunden, weggeschleppt und getötet. Zu diesem Ergebnis kam nun die Untersuchungsrichterin des Northern Territory, Elizabeth Morris, in ihrem Abschlussbericht.

Am 17. August 1980 campen die Chamberlains gemeinsam mit sechs anderen Gruppen in der Nähe von Uluru, dem von den Ureinwohnern als heilig verehrten Felsen inmitten des wilden Landesinneren Australiens. Nachdem Azarias Mutter Lindy das Mädchen in ein Zelt zum Schlafen gelegt hatte, hörte eine Urlauberin einen Schrei.

Lindy Chamberlain ging nachsehen und schrie Augenblicke später auf: "Mein Gott, mein Gott, ein Dingo hat mein Baby geholt!" Der Ausruf der verzweifelten Mutter hat längst auch Eingang in die Popkultur gefunden - zum Beispiel 1988 in dem Film A Cry in the Dark (deutsch: Ein Schrei in der Dunkelheit) mit Meryl Streep.

Ein Albtraum, der sich vor Gericht fortsetzte

Wer in Australien zelten geht, der bekommt heute als erstes Azaria Chamberlains Geschichte erzählt und einige Veranstalter machen es Campern zur Auflage, Dingo Awareness-Videos zu schauen, bevor sie in Gegenden aufbrechen, in denen die meist scheuen Wildhunde beheimatet sind.

Doch für Azarias Eltern nahm der Albtraum mit dem Verschwinden ihrer Tochter erst den Anfang: Nachdem eine erste Untersuchung zu dem Schluss gekommen war, dass tatsächlich Dingos das Kind verschleppt hatten, folgte 1982 eine aufsehenerregende Wende: Ein Gericht verurteilte Lindy Chamberlain wegen Mordes an ihrer Tochter und ihren Mann als Mitwisser der Tat. Drei Jahre verbrachte die Frau in Haft, bevor neue Beweise ans Licht kamen und die Gerichtsentscheidungen revidiert wurden.

Doch auch die dritte Untersuchung des Falls brachte keine Gewissheit: Als Todesursache ist in dem Abschlussbericht "unbekannt" vermerkt. Für die zu Unrecht inhaftierten Eltern alles andere als Gerechtigkeit.

"Von einem Dingo angegriffen und verschleppt"

Diese hat nun, mehr als 30 Jahre nach dem tragischen Verschwinden des Babys, die Justiz hergestellt: Das Mädchen "starb bei Uluru am 17. August 1980, als sie von einem Dingo angegriffen und verschleppt wurde", sagte Untersuchungsrichterin Morris am Dienstag vor großem Publikum im Gericht von Darwin.

Erstmals wurden in der jüngsten Untersuchung auch Berichte über andere Dingo-Angriffe gehört. Sie sei überzeugt, dass die Beweisführung "adäquat, klar, stichhaltig und exakt" sei und jeden anderen möglichen Grund ausschließe, führte Morris aus. Die Todesursache auf der Sterbeurkunde des Babys Azaria wird dementsprechend geändert.

"Jetzt kann Australien nicht länger behaupten, dass Dingos nicht gefährlich seien und nur angreifen, wenn sie provoziert weden", sagte Azarias Mutter Lindy Chamberlain-Creighton nach dem Gerichtstermin dem britischen Guardian zufolge. Ihr Ex-Mann dankte allen Unterstützern. "Es war ein furchtbarer und zeitweise bitterer Kampf", sagte Michael Chamberlain. "Aber jetzt erfahren wir ein wenig Heilung und bekommen eine Chance, die Seele unserer Tochter ruhen zu lassen."

© Süddeutsche.de/dpa/leja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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