Aufregung über Rede zu Herzogin Catherine:Missverstandene Monarchie-Kritik

The Duchess Of Cambridge Visits Hope House

Tatsächlich galt Hilary Mantels Kritik der Rolle der Frau in der Monarchie insgesamt, nicht Herzogin Kate persönlich. Aber die wenigsten machten sich die Mühe, das nachzulesen.

(Foto: Getty Images)

Sie sei eine Gebärmaschine und eine Marionette mit Plastik-Lächeln: Die Briten ereifern sich über die Worte, mit der Schriftstellerin Hilary Mantel in einer Rede Herzogin Catherine bedacht hat. Wohl auch, weil die Kritik in Wahrheit gegen die Untertanen selbst gerichtet war.

Von Christian Zaschke, London

Es ist nicht nur der Humor, der viele Briten verlässt, wenn es um die Königsfamilie geht, es ist auch der gesunde Menschenverstand. Derzeit herrscht in weiten Teilen der britischen Öffentlichkeit große Empörung darüber, dass die Schriftstellerin Hilary Mantel sich einige Unverschämtheiten gegenüber Kate, der Ehefrau von Prinz William, erlaubt habe. Premierminister David Cameron hat sich auf seiner Indien-Reise dazu geäußert und Kate in Schutz genommen.

Woraufhin Oppositionsführer Ed Miliband sich umgehend zu Wort meldete und Kate ebenfalls in Schutz nahm. Beide Politiker tadelten Hilary Mantel scharf. Sie sei ja eine gute Schriftstellerin - aber was sie über Kate gesagt habe, das sei falsch und unschön. Allerdings hatten weder der Premierminister und der Chef der Opposition noch weite Teile der Presse sich die Mühe gemacht nachzulesen, was Hilary Mantel wirklich gesagt hat, bevor sie ihre Meinung kundtaten.

Mantel hat Kate als Marionette und Kleiderständer beschrieben, als lackiertes Wesen mit Plastik-Lächeln, als Frau, deren einziger Daseinszweck innerhalb der Königsfamilie letztlich darin bestehe, für Nachkommen zu sorgen. Das klingt zunächst in der Tat mehr als nur ein wenig gemein. Allerdings waren Mantels Äußerungen Teil einer großen Rede, die sie bereits vor zwei Wochen im British Museum gehalten hat, sie standen in einem größeren Zusammenhang.

Mantel sprach über royal bodies, über königliche Körper, es war eine scharfsinnige, kluge und mitfühlende Analyse der Monarchie und insbesondere der Rolle der Frau innerhalb des Käfigs, den ein Königshaus trotz aller Annehmlichkeiten ist. In der aktuellen Ausgabe der London Review of Books wurde die Rede nachgedruckt. Dort entdeckte sie - wie auch immer das geschehen konnte - das konservative Krawallblatt Daily Mail.

Überzogene Reaktion der britischen Presse

Ließe sich mit einem Gerät messen, wie besessen eine Redaktion von der Herzogin von Cambridge ist, vielleicht mit einem Kate-o-Meter, dann schlüge dieses Gerät in der Redaktion der Daily Mail bis zum Anschlag aus. Die Zeitung blies zur Attacke auf Mantel, viele Zeitungen folgten, selbst der seriöse Independent ließ sich dazu hinreißen, die körperlichen Merkmale der 60 Jahre alten, kinderlosen Autorin mit denen der 31 Jahre alten, schwangeren Herzogin zu vergleichen. Die Botschaft war klar: Die frustrierte alte Schriftstellerin ist offenbar neidisch auf die strahlende junge künftige Königin. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen.

Wer die luzide Rede Mantels nachliest, der sieht, dass es sich um eine treffliche Analyse der Rolle der Frau in der royalen Maschine handelt und um eine Kritik nicht an Kate, sondern an einem Zusammenspiel aus Königshaus und Öffentlichkeit, das die Frauen in eben diese Rolle als seelenloses Püppchen drängt, das für Nachwuchs sorgt, gut aussieht und ansonsten den Mund hält. Mantel rührt damit an einen Kern des britischen Selbstverständnisses, für das die Monarchie seit geraumer Zeit wieder eine wichtigere Rolle spielt.

Tatsächlich fordert Mantel die Öffentlichkeit dazu auf, Kate eben nicht zur Projektionsfläche zu degradieren, zur Marionette, zur Gebärmaschine. Gut möglich also, dass die Daily Mail und andere Blätter so laut aufschrien, weil sie zumindest instinktiv verstanden, wen Mantel in Wahrheit attackierte.

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