Auf Drängen von Seehofers Staatskanzlei:Hoeneß gab Verdienstorden unter Druck zurück

Uli Hoeness

Hat den Bayerischen Verdienstorden zurückgegeben: Uli Hoeneß.

(Foto: Rene Ruprecht/dpa)

Bisher schien die Sache eindeutig zu sein: Weil sich Uli Hoeneß angeblich von der Politik ungerecht behandelt fühlte, wollte er mit der Rückgabe des Verdienstordens auf Distanz zu Seehofer gehen. Jetzt kommt heraus: Er soll aus dessen Staatskanzlei zu dem Schritt gedrängt worden sein.

Von Hans Leyendecker und Frank Müller

Die Ministerialdirektorin Karolina Gernbauer, Amtschefin in der bayerischen Staatskanzlei, gilt als ebenso erfahren wie tüchtig. Die 52-jährige Juristin war persönliche Referentin bei Edmund Stoiber und nahm als dessen Vertraute auch an Krisengesprächen mit Angela Merkel in Berlin teil.

Sie hat die Wirren der Nach-Stoiber-Zeit überstanden und ist 2010 vom Ministerpräsidenten Horst Seehofer als erste Frau an die Spitze der Münchner Regierungszentrale berufen worden. Gernbauer ist dort seither so etwas wie die graue Eminenz. Das bedeutet auch, dass sie möglichst perfekt das umsetzt, was Seehofer will.

Wie die Süddeutsche Zeitung nun erfuhr, soll sich Gernbauer im vergangenen Juni in einer heiklen Angelegenheit bei Hanns Feigen in Frankfurt gemeldet haben, einem der Anwälte von Uli Hoeneß. Der frühere Präsident des FC Bayern München war wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden und hatte gerade seine Haftstrafe angetreten.

Ein ungeschriebenes Gesetz

Die Ministerialdirektorin habe darauf hingewiesen, dass Hoeneß 2002 Bayerns höchste Auszeichnung erhalten habe: den Bayerischen Verdienstorden. Es gebe eine Art ungeschriebenes Gesetz, dass jemand, der zu einer Strafe ohne Bewährung verurteilt worden sei, den Orden zurückgebe. Auch hielten es Öffentlichkeit und Medien womöglich für falsch, wenn Hoeneß seinen Orden behielte. Gernbauer war am Dienstag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Anders als beim Bundesverdienstkreuz sehen die Statuten des Bayerischen Verdienstordens im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung keinen ordentlich geregelten Ordensentzug vor. Es gibt nur die Möglichkeit einer Aberkennung. Möglichkeit meint: Man muss die Auszeichnung nicht zurückgeben. Zwar könnte laut Statut ein Ordensbeirat den Ordensentzug vorschlagen. In dem Fall müssten aber Größen der bayerischen Politik über Hoeneß' Orden quasi zu Gericht sitzen. Unangenehm.

Anwalt Feigen verstand offenbar die Botschaft. Er hat viele ehemals Große der Republik verteidigt und Mandanten wie dem früheren Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel, denen das Bundesverdienstkreuz nach der Verurteilung plötzlich schwer am Halse hing, geraten, die Dekoration gleich zurückzugeben. Aber anders als das Bundesverdienstkreuz ist der Bayerische Verdienstorden eine Rarität. Höchstens 2000 Menschen dürfen ihn tragen, derzeit gibt es 1717 Ordensträger.

Deutlicher Hinweis an Hoeneß

Feigen trug Susi Hoeneß, der Ehefrau, das Anliegen der Staatskanzlei vor. Bei einem Besuch in Landsberg besprachen die Eheleute die Angelegenheit dann. Uli Hoeneß entschied, sich dem sehr deutlichen Hinweis nicht zu widersetzen. Nun musste ein Termin gefunden werden, denn Hoeneß hatte den Orden von Regierungschef Edmund Stoiber bekommen. Der jetzige Regierungschef Seehofer sollte ihn daher persönlich zurückbekommen.

Am 8. September trafen sich Susi Hoeneß und ihre beiden Kinder Florian und Sabine mit dem Ministerpräsidenten in der Staatskanzlei. Sie brachten den Verdienstorden mit und bei dieser Gelegenheit auch die bayerische Sozialmedaille, mit der die damalige Sozialministerin Christine Haderthauer im Jahr 2012 Uli Hoeneß ausgezeichnet hatte.

Freiwillig? Von wegen.

Ende voriger Woche erschien dann ein Boulevardblatt mit der Schlagzeile: "Hoeneß gibt Verdienstorden zurück!" Zusatz: "Weil er sich ungerecht behandelt fühlt." Die Ordensrückgabe sei "allein seine Entscheidung" gewesen. Hoeneß wolle "auf Distanz gehen zu Seehofer und den Politikern.

Offenbar fühlt sich Hoeneß ungerecht behandelt, weil er - soweit bekannt - als einziger Bundesbürger ins Gefängnis musste, nachdem er seine Steuerhinterziehung selbst angezeigt hatte."

So stand es da. Eine Nachrichtenagentur griff das Thema auf; es mäanderte durch die Republik, auch die SZ veröffentlichte eine Agenturversion der Geschichte.

Doch damit war es nicht getan. Etliche Kommentatoren nahmen sich Hoeneß vor. Seine angebliche Rückgabe "aus Unzufriedenheit mit der Landespolitik rund um den Prozess" zeuge von "mangelndem Verständnis für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit", schrieb ein Blatt.

Angeblich sei "sicher", hieß es, dass Susi Hoeneß den Orden Mitte Dezember mit "Aplomb" in die Staatskanzlei getragen habe. Die "ostentative Geste einer so beleidigten wie staatsdistanzierenden Ordensrückgabe" sei "fatal". Andere Blätter beklagten die angebliche "Hybris" von Hoeneß und seine angebliche "Rachsucht".

Rund 40 Medien betroffen

Etwa 40 Medien, die der falschen Spur gefolgt sind, müssen nun mit Unterlassungserklärungen rechnen. Auffallend war und ist allerdings, dass die Staatskanzlei all die Irrläufer nicht korrigierte. Man hält sich vornehm zurück.

Auf SZ-Anfrage erklärte die Staatskanzlei am Dienstag, abgesehen vom Akt der Verleihung sei das komplette Procedere "nicht öffentlich". Es gebe "keine Äußerung zu Ordensverfahren", sagte ein Sprecher. Formal ist das wohl in Ordnung. Angesichts der hitzigen Diskussion ist das Schweigen aber befremdlich. Auch Familie Hoeneß und Seehofer wollten sich auf Anfrage nicht äußern. Marcel Huber, seit September Staatskanzleichef, sagt, er kenne das alles nicht.

Geheime Kommandosache. Anders als Stoiber ist Seehofer erkennbar auf Distanz zu Hoeneß gegangen. Das mag dem Amt geschuldet sein, aber vielleicht nicht nur. Dabei hatte sich der amtierende Ministerpräsident während der Glanzzeit des Bayern-Präsidenten gern mit Hoeneß sehen lassen.

Vor knapp drei Jahren etwa verließ Seehofer sogar seinen eigenen Neujahrsempfang vorzeitig, um noch bei Hoeneß' Geburtstagsfeier zum Sechzigsten vorbeischauen zu können. Spaßeshalber verlieh er dem Bayern-Heroen damals die Auszeichnung "Bayerischer Ehrenbürger". Diesen Titel muss Hoeneß nicht zurückgeben. Es gibt ihn gar nicht.

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