Attentäter von Newtown:Schwierige Suche nach dem Warum

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Adam Lanza hat 27 Menschen und sich selbst getötet. Ganz Amerika fragt jetzt nach dem Warum. Doch lassen sich aus den Aussagen, die jetzt über den Attentäter getroffen werden, keine eindeutigen Schlüsse ziehen.

Von Matthias Huber

Intelligent soll er gewesen sein, brillant sogar. Aber auch schüchtern und still. Und angeblich stets bemüht, nicht aufzufallen. Bis Freitag: Adam Lanza hat 20 Kinder in einer Schule in Newtown, seine Mutter und sechs weitere Erwachsene erschossen, ehe er die Waffe gegen sich selbst richtete. Nun fragt Amerika: Warum tut ein Mensch so etwas? Spuren werden gesammelt, Bekannte und Verwandte befragt, das wenige analysiert, was jetzt über sein Leben bekannt wird, doch gibt es bei Adam Lanza keine eindeutigen Schlüsse.

Der 20-Jährige hat in seinem kurzen Leben als Erwachsener wenig Spuren hinterlassen. Er hatte kein Facebook-Profil, selbst in seinem Highschool-Jahrbuch findet sich kein Foto von ihm. Stattdessen steht dort nur: "kamerascheu".

Auch wenn ehemalige Schulkameraden, Nachbarn und Bekannte der Familie nach ihm gefragt werden, bestärken sie das Bild des zurückgezogenen Einzelgängers. "Ich habe ihn nie mit irgendwem gesehen", sagte Olivia DeVivo, die mit Lanza zur Schule ging, zur New York Times. "Mir fällt nicht eine Person ein, die ihm nahestand."

Ein Einzelgänger also, distanziert, zugeknöpft. Er soll am Asperger-Syndrom gelitten haben, einer Form des Autismus. Dies berichten verschiedene Medien unter Berufung auf Polizeikreise sowie Freunde und Verwandte von Lanza. Menschen mit Asperger tun sich schwer, nonverbale Kommunikationssignale - beispielsweise Körpersprache und Mimik - intuitiv wahrzunehmen und auch selbst auszusenden. Die Folge: Sie fühlen sich isoliert und einsam und knüpfen nur schwer zwischenmenschliche Kontakte. Doch eine Erklärung für die Tat ist das nicht.

Die Scheidung der Eltern hat die Söhne hart getroffen

Adam Lanza lebte in Newtown bei seiner Mutter Nancy, die er am Freitag ebenfalls tötete. 2008 haben sich die Eltern scheiden lassen, nach 17 Jahren Ehe. Adams Vater arbeitet in leitender Funktion für einen amerikanischen Großkonzern und ist seit 2011 wieder verheiratet. Die Trennung der Lanzas soll die beiden Söhne hart getroffen haben, heißt es aus dem Bekanntenkreis.

Nancy Lanza soll sich aufopferungsvoll um ihre Söhne gekümmert haben. "Man hat gemerkt, dass ihre Kinder für sie immer an erster Stelle standen", sagte Gina McDade, eine Bekannte der Familie, zur New York Times. Nancy Lanza war es auch, die ihre Kinder mit Waffen in Berührung brachte. Dan Holmes, ein weiterer Bekannter Lanzas, beschrieb sie als eine Waffensammlerin. "Sie hat erzählt, dass sie oft mit ihren Kindern zum Schießen gegangen sei", sagte er.

Ryan Kraft, ein 25-jähriger Nachbar der Familie, erzählte der Washington Post, er habe gelegentlich auf den jungen Adam aufgepasst, wenn dessen Mutter nicht da war. "Er hatte Wutausbrüche", sagte Kraft. "Deutlich mehr als ein normales Kind." Doch zur Gewalt habe er nie geneigt.

"Beinahe jeder Attentäter wird als Einzelgänger bezeichnet"

Was sagen solche Beschreibungen wirklich aus, was verraten sie über die Motivlage? Skepsis ist angebracht. Kurz nach dem Massaker von Aurora warnte "Columbine"-Buchautor Dave Cullen in der New York Times vor voreiligen Schlüssen über die Motive des Täters. Gerade, wenn er beispielsweise als Einzelgänger beschrieben wird: "Beinahe jeder Attentäter erhält diese Bezeichnung, weil die Öffentlichkeit davon überzeugt ist, dass es so sein muss. Und Leute, die den Amokschützen kaum kannten, plappern es gegenüber jedem Journalisten nach, den sie treffen."

Aussagen über den Täter, die erst nach der Tat erfolgen, seien nach Ansicht von Cullen sehr beeinflussbar - mehr noch, wenn bereits viel über das angebliche Motiv bekannt geworden ist. Ermittlungsbehörden müssten deshalb Informationen erst einmal zurückhalten, um nicht zu riskieren, dass der Täter falsch beschrieben werde. Dann würde die Suche nach den Motiven noch schwieriger.

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