Südostasien:Gift am Himmel

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Haze in Singapore epa04955340 A family walks along a skybridge between 'Supertrees' at the Gardens By The Bay against the backdrop of the Singapore Flyer shrouded by haze in Singapore, 29 September 2015. The National Environment Agency of Singapore today reported high Pollutant Standards Index (PSI) reading of 250 in the afternoon. Air quality with PSI reading between 101 and 200 is termed 'unhealthy' by the agency. The haze is caused by smoke from slash-and-burn farming practices in Indonesia and is blown across the Straits of Malacca by the seasonal monsoons. Indonesian officials have called for neighbouring countries to offer assistance in extinguishing the fires. EPA/WALLACE WOON +++(c) dpa - Bildfunk+++ (Foto: dpa)
  • Auf großen Tropeninseln Indonesiens lodern derzeit zahlreiche Waldbrände. Besonders die Provinzen Sumatra und Kalimantan sind betroffen.
  • In Malaysia und Singapur bleiben Schulen zum Teil geschlossen, Kinder dürfen nicht zum Spielen nach draußen.
  • Viele der Waldbrände sind gelegt - für den Anbau von Palmöl wird Urwald gerodet.

Von Arne Perras, Singapur

Ach, Sonne, lange nicht gesehen. Wenn es wolkig ist, freuen sich Bewohner der Tropen zwar, denn dann brennt es nicht so herunter vom Himmel und die Damen brauchen kein Sonnenschirmchen, um sich zu schützen und eine helle Haut zu bewahren. Aber diese Wolke, die seit Wochen schon Teile des Himmels über Südostasien verhängt? Sie macht Angst.

"Hazy, crazy thing"

Gerade noch hat ein Dozent von der Singapurer Uni sarkastisch gewitzelt über das "hazy crazy thing", das alles einhülle wie ein waberndes Monster. Wie soll man es auch sonst nennen? Der offizielle Name "Haze" - "Dunst" - ist zu niedlich, um "das Ding" zu beschreiben. Was sich da ausbreitet, ist giftiger Qualm. Keine Science-Fiction, sondern beißender Alltag im Herbst 2015. Einen Sonnenschirm braucht dieser Tage niemand, dafür aber eine Atemmaske der Norm N95, um sich vor der verpesteten Luft zu schützen.

Der Rauch kommt von den Waldbränden, die auf den großen Tropeninseln Indonesiens gerade überall lodern. Der Qualm hüllt den Süden Sumatras ein und Kalimantan, den indonesischen Teil von Borneo. Doch auch die Nachbarn weiter nördlich bekommen ihn ab, weil der Wind die giftigen Schwaden übers Meer treibt.

In Singapur und Malaysia sind die Schulen mal geschlossen und dann wieder geöffnet, wobei die Kinder strikte Anweisungen haben, keinen Sport zu treiben und auch nicht mehr draußen zu spielen. Eingesperrt hinter vier Wänden bleibt der gespenstische Blick aus dem Fenster: Die Konturen der Skyline Singapurs sind nur noch zu erahnen in dieser grauen Soße. Und wehe, man atmet draußen mal tief ohne Maske ein: Das ist, als würde man etwas zu nahe am sommerlichen Grillfeuer stehen, nur dass man eben nicht mal schnell zur Seite treten kann; Barbecue à la Indonesia. Außer den Verkäufern von Luftfiltern lacht da keiner mehr.

Wer atmen will, muss fliehen

Wie dick der "Haze" gerade ist, messen die Behörden stündlich mit dem "Pollutant Standard Index", kurz: PSI-Wert. Ein Wert unter 50 gilt als unbedenklich, über 100 ist als ungesund eingestuft, über 200 sehr ungesund. Einen Wert über 300 nennen die Behörden "gefährlich". In Singapur pendelt er derzeit zwischen 100 und 300 hin und her, in der vergangenen Woche stieg er kurzzeitig auch darüber. Da, wo es herkommt, kann das "hazy crazy thing" aber noch viel mehr: Einen PSI-Wert von 2000 meldete kürzlich eine Messstation in Kalimantan, Borneo.

Wer seine Lungen retten will, dem bleibt da eigentlich nur noch die Flucht. Die Frage ist allerdings: Wo sollen die Leute hin, wo sie doch auf diesen Inseln arbeiten und ihr Geld verdienen? Sie arbeiten zum Beispiel auf den Palmölplantagen, die für Investoren ein so lukratives Geschäft geworden sind.

Palmöl, sagt die Palmöl-Lobby, ist gut, weil man hohe Erträge auf engem Raum erzielen kann: wenig Landverbrauch gegenüber Raps und all den anderen Ölen. Diese Rechnung dürfte sogar stimmen, und je größer die Mittelklassen werden, desto mehr Öl wird gebraucht. Nicht so gern redet die Lobby darüber, dass für Palmöl in den vergangenen Jahrzehnten riesige Urwälder gerodet wurden, ein kaum ersetzbarer ökologischer Verlust, weil die Artenvielfalt dahin ist und die Böden ausgewaschen werden. Ganz zu schweigen von den Folgen für den globalen Klimawandel.

Regen bleibt aus

Nicht alle Feuer, die nun in Sumatra und Borneo lodern, haben mit dem umstrittenen Anbau von Ölpalmen zu tun - aber viele. Kein Land hat so schnell so viel Wald verloren wie Indonesien in den vergangenen Jahren, beklagen Forstexperten. Und das einfachste Mittel, schnell viel Wald zu vernichten, ist nun mal: Feuer. Nun ist es nicht so, dass überall die wertvollsten Tropenhölzer und Urwaldriesen einfach in Rauch aufgehen - die teuren Stämme sind ja längst geplündert. Was übrig ist und nachgewachsen, nennt man "Sekundärwald", er wird vielerorts wieder und immer und immer wieder abgebrannt. Versuche, größere Flächen wieder artenreicher aufzuforsten, gibt es nur wenige. Der "Haze" also ist längst kein Unbekannter mehr, es gibt ihn mal mehr, mal weniger. Aber diesmal zermürbt er wie selten zuvor: Es wird kaum Regen erwartet, deshalb wird das Land noch wochenlang weiterbrennen, in Sumatra sowieso, weil der Boden dort aus Torf besteht, der kaum zu löschen ist.

Der Qualm reizt auch die Politiker der Region, es wird viel gestritten, Vorwürfe fliegen hin und her. Der Riese Indonesien will sich ungern gute Ratschläge vom Zwergstaat Singapur anhören. Und natürlich will keiner die illegalen Feuer gelegt haben, die großen Konzerne bezichtigen gerne die kleinen Farmer. "Das Hauptproblem ist, dass die Gesetze nicht durchgesetzt werden", sagt Adul Khalik, stellvertretender Chefredakteur der englischsprachigen Tageszeitung Jakarta Globe.

Damit hat nun der indonesische Präsident Joko Widodo zu kämpfen, der vor einem Jahr gewählt wurde und auf dessen angekündigte Reformen viele hofften. Doch Jokowi, wie ihn alle nennen, tut sich schwer, auch und gerade mit dem Ersticken der vielen "Hotspots", wie die Brandherde auf Sumatra und Borneo heißen. Um das Problem dauerhaft zu lösen, bauche er drei Jahre, sagt er. Unterdessen verspricht die Polizei, mindestens 40 von 210 untersuchten Bränden vor Gericht verhandeln zu lassen.

Wo Palmöl drin ist, muss Palmöl draufstehen

Europa ist der Zuschauer in dieser Geschichte, einerseits, das "hazy crazy thing" ist ja doch weit weg. Andererseits auch wieder nicht - Palmöl ist schließlich in jedem Supermarkt gleich um die Ecke in so vielen Lebensmitteln und anderem drin, Tiefkühlpizza, Brotaufstrich, Süßigkeiten, Waschmittel, Kosmetika, und so weiter. Und den entsprechenden Biosprit gibt es an der Tankstelle auch.

Immerhin: Neuerdings muss auf den Produkten draufstehen, ob Palmöl drin ist. Es gibt sogar zertifiziertes Palmöl, das einen nachhaltigen Anbau verspricht, sofern es das bei großflächigen Monokulturen überhaupt geben kann. Ein Label "Garantiert ohne Brandrodung" aber hat man noch nicht gesehen.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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