Arzneimittel-Skandal:"Aus purer Habgier"

Ein Gericht verurteilt einen Apotheker, der Patienten jahrelang gepanschte Krebsmittel verabreichte.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

In einem der größten Arzneimittel-Skandale der Bundesrepublik ist Apotheker Peter S. am Freitag vom Landgericht Essen zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. "Aus purer Habgier", so Richter Johannes Hidding, habe der Bottroper Apotheker jahrelang Krebsmedikamente gestreckt und seinen Patienten auf diese Weise minderwertige, bisweilen sogar wirkungslose Arzneimittel verabreicht. Nur auf diese Weise habe der Apotheker Luxusgüter und eine teure Villa finanzieren können. Freigesprochen wurde Peter S. hingegen von dem Vorwurf, er habe bewusst den Tod oder körperliche Leiden seiner Patienten riskiert. Einzelne Anwälte von Opfern des Apothekers hatten während des achtmonatigen Prozesses den Vorwurf des versuchten Mordes erhoben, die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten 27 Fälle von versuchter Körperverletzung vorgehalten.

Mit dem Strafmaß von zwölf Jahren Gefängnis blieb Richter Hidding geringfügig unter der Forderung von Staatsanwaltschaft Rudolf Jakubowski, der 13 Jahre und sechs Monate Haft verlangt hatte. Ein Grund dafür ist, dass das Gericht im Vorgehen der Polizei einen Fehler ausmachte. Bei einer Razzia im November 2016 hatten Beamte unter anderem 27 Infusionsbeutel mit gepanschten Zytostatika sichergestellt. Da diese unterdosierten Krebsmedikamente jedoch noch im Labor der Apotheke lagen und noch vor der Auslieferung beschlagnahmt worden waren, dürften sie nicht als Beweismittel dienen.

Als eindeutig erwiesen sah das Gericht, dass S. in mindestens 14 000 Fällen gegen das Arzneimittelgesetz verstieß: Der Apotheker habe deutlich weniger Krebsmittel bei Pharmalieferanten bestellt, als er mit den Krankenkassen abrechnete. Richter Hidding bezifferte den Schaden für die Kassen auf 17 Millionen Euro.

Das Gericht wies gleich mehrere Argumente der vier Verteidiger von Peter S. zurück. Für deren Behauptung, der Apotheker habe sich durch illegale Zukäufe auf dem Schwarzmarkt genügend Krebsmittel verschafft, fand Richter Hidding "nicht den leisesten Anhaltspunkt". Auch die Strategie der Verteidiger, ihren Mandanten wegen eines vor zehn Jahren erlittenen Schädel-Hirn-Traumas für nicht schuldfähig zu erklären, verwarf das Gericht. Ein Gutachter hatte vor Gericht ausgesagt, Peter S. habe bei Gedächtnistests offenbar kognitive Schwächen vortäuschen wollen.

S. hatte an allen 44 Verhandlungstagen geschwiegen. Als Richter Hidding ihm am Donnerstag das letzte Wort erteilte, zog er zwar das Mikrofon eilfertig zu sich - um dann zu sagen: "Ich möchte mich nicht mehr äußern." Auch Appelle von Opferanwälten, einen Beitrag zur Aufklärung zu leisten

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