Afrika:Malawi siedelt 500 Elefanten um

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Betäubt werden die Elefanten mit einem Kran auf Lastwagen gehievt. (Foto: African Parks)

In manchen Teilen Afrikas vermehren sich Elefanten so stark, dass sie den Menschen die Lebensgrundlage wegfressen. Aktuell ziehen 500 Tiere um - mit Hilfe von Kränen, Lkws und Helikoptern.

Von Tobias Zick, Kapstadt

Es gibt zwei Sichtweisen zur Lage des größten Landsäugetiers der Welt. Die eine lautet: Afrikas Elefanten sterben aus. Die andere: Die Biester vermehren sich wie die Teufel. Für beide Lesarten kann man, wenn man will, handfeste Belege finden - es kommt vor allem darauf an, wo genau man danach sucht.

In weiten Teilen des Kontinents stehen die Elefanten in der Tat unter massivem Druck; vor 100 Jahren streiften noch schätzungsweise drei bis fünf Millionen von ihnen durch Savanne und Wälder, heute sind es nur noch weniger als eine halbe Million, und vielerorts nimmt ihre Zahl weiter rasant ab, etwa in Tansania, wo Wilderer allein in den vergangenen fünf Jahren mehr als 60 Prozent der Elefanten getötet haben, um die gewaltige Nachfrage nach Elfenbein in Asien zu bedienen. Korrupte Beamte bahnen ihnen oft den Weg und verdienen an dem blutigen Geschäft mit.

Doch dort, wo Wildhüter einigermaßen ernsthaft und flächendeckend arbeiten, wo die Elefanten gefahrlos grasen können, da vermehren sie sich kräftig - und geraten mit Kleinbauern aneinander, die klagen, die grauen Riesen zertrampelten ihnen die Felder und fräßen ihnen die Kürbisse und den Mais weg. Der Appetit der Elefanten kann für eine afrikanische Dorfgemeinschaft existenzbedrohende Ausmaße annehmen.

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Weil sie sich in einem Nationalpark in Malawi stark vermehrt haben, werden derzeit hunderte Elefanten in ein Schutzgebiet im Norden des Landes umgesiedelt.

92 Elefanten sind bereits umgesiedelt worden

Das Problem ist in der Fachwelt als "Mensch-Elefanten-Konflikt" bekannt; anschaulich studieren lässt es sich etwa rund um den Liwonde-Nationalpark in Malawi, einem kleinen, dicht besiedelten und immer wieder von Hungerkrisen geplagten Land im Südosten des Kontinents.

Die Dörfer am Rand des Liwonde-Parks wachsen von Jahr zu Jahr, immer wieder durchbrechen Menschen den Zaun, bauen ihren Mais auf dem geschützten Gebiet an, und zugleich stoßen Elefanten, die sich in dem vergleichsweise gut vor Wilderern gesicherten Nationalpark gesund vermehren, immer wieder in die Siedlungsgebiete der Menschen vor.

Bei derlei Konfrontationen sind in den vergangenen Jahren im Liwonde-Gebiet mehr als 40 Menschen gestorben. Und der Nationalpark selbst wird für die wachsenden Herden allmählich zu klein; "ein Elefant pro Quadratkilometer" lautet die Faustregel für ein stabiles Verhältnis. Unter natürlichen Bedingungen würden die Elefanten in andere Gebiete abwandern - doch auf einem immer dichter besiedelten Kontinent stoßen sie an Grenzen.

Das Dilemma wird sich auf absehbare Zeit immer weiter verstärken; die menschliche Bevölkerung Afrikas wird sich bis 2050 mindestens verdoppeln - und der Bewegungsspielraum der Elefanten sich entsprechend verringern. Nun gibt es im Norden von Malawi, etwa 450 Kilometer von Liwonde entfernt, ein Schutzgebiet namens Nkhotakota, wo vor 20 Jahren noch etwa 1500 Elefanten lebten - dann kamen Wilderer und räumten das Reservat nahezu leer; weniger als 100 der Tiere sind heute noch übrig.

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Umsiedlung mit Hubschrauber, Kränen und Lastwagen

Im vergangenen Jahr hat eine südafrikanische Schutzorganisation namens "African Parks" das Management von Nkhotakota übernommen und verspricht, es künftig entschlossen vor Wilderern zu schützen. Nicht nur das: Die Elefantenpopulation soll in nächster Zeit rasant aufgestockt werden - mit 500 Tieren aus dem bedenklich dicht bevölkerten Liwonde-Nationalpark und einem anderen, kleineren Gebiet in der Nähe.

In einer ersten Umsiedlungswelle im Juli haben die Ranger bereits 92 Elefanten quer durchs Land verfrachtet. Von Hubschraubern aus haben sie die Tiere mit Betäubungsgewehren beschossen, immer darauf bedacht, möglichst keine Familien auseinanderzureißen. Wildhüter am Boden machten sich daran, Elefanten, die vornüber gefallen waren, auf die Seite zu rollen, damit sie nicht ersticken. "Wenn du beim Betäuben nicht genau weißt, was du tust", sagt der Projektleiter Andrew Parker, "dann kann das Leben kosten."

Auf Lastwagen wurden die Tiere dann in ihre neue Heimat Nhotakota verfrachtet - alle 92 sind, wie die Organisation erklärt, wohlauf. Bis September 2017 soll die Aktion mit dem Titel "500 Elefanten" abgeschlossen sein. Andrew Parker räumt ein, dass es sich dabei nicht um die einzig wahre, magische Lösung für Afrikas Elefanten handelt - aber immerhin um eine "Geschichte der Hoffnung".

Je mehr ihrer natürlichen Wanderwege den Herden des Kontinents in Zukunft durch den Menschen versperrt werden, umso stärker wird ihr Überleben davon abhängen, dass der Mensch ihnen hilft, diese Hindernisse zu überwinden, und sei es mit unkonventionellen Methoden. Hubschrauber, Kräne, Lastwagen: "Ja, so werden die Lösungen der Zukunft wohl oft aussehen", sagt Craig Reid, der Leiter des Liwonde-Nationalparks.

© SZ vom 23.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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