Argentinien:Das Boot

171118 BUENOS AIRES Nov 18 2017 File photo taken on Nov 23 2010 shows the Argentine sub

An Bord befinden sich 43 Männer und eine Offizierin: Das einst in Emden gebaute, nun vor Argentinien verschollene Unterseeboot.

(Foto: Jan Sebastian Lobos/imago)

43 Männer und eine Offizierin sind an Bord, und Funkkontakt gibt es schon seit Tagen nicht: Argentinien bangt um das Schicksal der Besatzung des verschollenen Unterwasserbootes "ARA San Juan".

Von Boris Herrmann

Für den Fall, dass ein U-Boot in Seenot gerät und der Funkkontakt abbricht, gibt es bei der argentinischen Marina ein klar definiertes Protokoll: auftauchen und - wenn möglich - den Zielhafen ansteuern. Im Fall des seit Mittwoch vermissten U-Bootes ARA San Juan wäre das die argentinische Stadt Mar del Plata. Dort haben sich in den vergangenen Tagen Dutzende Verwandte und Freunde jener 44 Seeleute eingefunden, die sich an Bord befinden. Sie beten, sie weinen, sie warten auf ein Lebenszeichen. Und das halbe Land fiebert vor den Fernsehern mit. Ein Land, das sich wie kaum ein anderes mit großen, öffentlichen Dramen wie diesem auskennt.

Auch Argentiniens Staatspräsident Mauricio Macri sowie Verteidigungsminister Oscar Aguad, der die Suche koordiniert, haben ihren Arbeitsplatz vorläufig nach Mar del Plata verlegt. Der argentinische Papst Franziskus schickte den Angehörigen und Rettungskräften seinen Segen. Seit Samstag gibt es tatsächlich Hoffnung, dass doch noch alles gut ausgeht. Offenbar ist über ein Satellitentelefon versucht worden, Marinestützpunkte anzufunken. Sieben Anrufversuche wurden registriert, es konnte keine Verbindung hergestellt werden. Laut Enrique Balbi, dem Sprecher der argentinischen Kriegsmarine, ist das aber ein klares Zeichen dafür, dass die San Juan tatsächlich aufgetaucht ist, dass die Besatzung lebt. Es werde jetzt versucht, den Ursprungsort der Signale zu orten.

Das U-Boot war am Montag von Ushuaia auf Feuerland ausgelaufen. Bei der letzten Funkverbindung am Mittwoch befand es sich im Golf von San Jorge, etwa 430 Kilometer vor der patagonischen Küste. Dort war es im Einsatz gegen illegale Fischerei. Zur Besatzung gehört die 35-jährige Eliana Krawczyk, die erste U-Boot-Offizierin Südamerikas. Sie stammt aus dem argentinischen Hinterland und hat angeblich erst im Alter von 21 Jahren zum ersten Mal das Meer gesehen. Vor allem ihre Geschichte wird jetzt zum Reality-Drama. Argentinien sucht ein U-Boot, mit 43 Männern und einer Frau.

Unterstützung erhält die Marine, die mit zehn Kriegsschiffen im Einsatz ist, von Flugzeugen der US-Navy und der Raumfahrtbehörde Nasa. Auch eine C-130-Hercules der britischen Royal Air Force ist im Einsatz. Das ist politisch höchst heikel, weil das Flugzeug auf den Falkland-Inseln stationiert ist, die auch Argentinien beansprucht. Für die internationale Suchaktion haben beide Länder ihren diplomatischen Dauerstreit aber kurzzeitig ausgesetzt. Das zeugt vom Grad der Verzweiflung auf argentinischer Seite.

Die Behörden gehen in ihren optimistischsten Szenarien von einer Batterie-Panne an Bord der San Juan aus. Womöglich, so Balbi, treibe sie ohne Motorkraft in den Wellen. Die sind im Golf von San Jorge derzeit sechs bis sieben Meter hoch, was die Suche erschwert und womöglich auch die Funkverbindung stört. Die argentinische Kriegsmarine besitzt drei U-Boote, die alle aus deutscher Herstellung stammen. Die ARA San Juan wurde in den Nordseewerken in Emden gebaut und 1985 nach Argentinien überführt. 2014 war sie zuletzt restauriert worden.

Während das Land um die Besatzung zittert, werden Erinnerungen an die U-Boot-Katastrophen der Vergangenheit wach. Der letzte bekannte Fall war der Untergang des russischen Atom-U-Bootes Kursk im Jahr 2000. 118 Soldaten starben in der Barentssee - unter nie ganz geklärten Umständen. Die Betenden von Mar del Plata glauben fest daran, dass die San Juan lediglich ein Kommunikationsproblem hat. Und dass sie jetzt nur noch an der Wasseroberfläche gefunden werden muss. Irgendwo im Südatlantik.

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