Antrag wegen Befangenheit:Kachelmanns peinliche Richter

Die billige Ausrede des Richters im Kachelmann-Prozess ist eine Schande für die deutsche Justiz. Das Verhalten der anderen Richter zeigt, dass eine Krähe der anderen tatsächlich kein Auge aushackt.

Hans Holzhaider

Was die Strafrichter am Landgericht Mannheim im Prozess gegen Jörg Kachelmann derzeit dem Publikum zumuten, ist an Peinlichkeit nicht mehr zu überbieten.

Die Anwälte des wegen Vergewaltigung angeklagten Wettermoderators Jörg Kachelmann hatten keinen Erfolg mit ihrem Antrag, die Richter für befangen zu erklären. (Foto: dpa)

Zur Erinnerung: Der Vorsitzende Richter Michael Seidling weigerte sich, die Belastungszeugin Claudia D., das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer, über ihr Auskunftsverweigerungsrecht - falls sie sich durch ihre Aussage selbst der Strafverfolgung aussetzen würde - zu belehren.

Kachelmanns Verteidiger lehnten die drei Berufsrichter daraufhin wegen des Verdachts der Befangenheit ab. Am nächsten Sitzungstag holte Seidling die Belehrung dann nach und erklärte, er habe das ohnehin tun wollen, nur erst etwas später. Leider habe er versäumt, dies zu erklären.

Wenn ein Angeklagter es wagen würde, sein Fehlverhalten mit einer so billigen Ausrede zu entschuldigen, würde der Gerichtssaal vom Hohngelächter der Juristen widerhallen. Seidling hatte die Belehrung ausdrücklich verweigert. Ein winziger Satz hätte genügt, wenn der Richter wirklich die Absicht gehabt hätte, die Zeugin irgendwann im weiteren Verlauf der Vernehmung zu belehren.

Stattdessen sagte Seidling: "Ich belehre sie nicht." Klar, eindeutig, unmissverständlich. Danach beriet die Kammer fast eine Stunde lang, allem Anschein nach kontrovers, wieder mit dem Ergebnis: Keine Belehrung. Und kein Wort der Erklärung.

Dass die Richter, die nun über den Befangenheitsantrag zu entscheiden hatten, sich mit der windigen Schutzbehauptung des Vorsitzenden Richters zufriedengaben und den Antrag ablehnten, gibt dem alten Vorurteil Nahrung, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Eine Schande für die Justiz.

© SZ vom 21.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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