Antisemitismus:"Das Gefühl der Sorge und Angst ist gestiegen"

Ein jüdischer Rentner ist in Berlin offenbar wegen seines Davidsterns angegriffen worden. Identität und Motiv der Täter sind noch nicht geklärt, das Landeskriminalamt vermutet einen antisemitischen Hintergrund. Es wäre dieses Jahr nicht der erste Übergriff auf einen Juden.

Von Nadia Pantel, Berlin

Der Staatsschutz ermittelt in Berlin wegen eines offenbar antisemitischen Überfalls. Ein 67-jähriger Mann saß am Montagnachmittag auf einer Parkbank im Berliner Tiergarten und unterhielt sich mit einem Bekannten, als zwei Männer begannen, ihn zu beschimpfen. Am Ende schlugen sie ihn mit den Fäusten mehrmals ins Gesicht und traten auf ihn ein.

Der verletzte Mann trug eine Mütze, an der ein Davidstern befestigt war. Der Polizei gegenüber gab der Mann an, dies sei der Grund für den Angriff gewesen. Der 67-Jährige ist polnischer Staatsbürger und lebt in Berlin. Nach dem Angriff musste er wegen mehrerer Platzwunden am Kopf im Krankenhaus versorgt werden. Noch ist weder die Identität der zwei Täter noch ihr Motiv geklärt, doch das Landeskriminalamt vermutet einen antisemitischen Hintergrund.

Viele Vorfälle werden nicht gemeldet

Es wäre in diesem Jahr der zweite gewalttätige Übergriff gegen Juden in Berlin. Im April war ein junger Israeli im Kreuzberger Graefekiez vor seiner Wohnung von einer Gruppe von Männern zusammengeschlagen worden. Im August 2012 war der Rabbi Daniel Alter in Berlin Friedenau in einer Wohngegend von Unbekannten gefragt worden, ob er Jude sei, und daraufhin mit Faustschlägen angegriffen worden. Alter zeigt sich seitdem nicht mehr auf offener Straße mit der Kippa.

Das American Jewish Committee (AJC) in Berlin verurteilte den Übergriff im Tiergarten. "Es ist schwer zu belegen, ob die Übergriffe zu- oder abnehmen, da viele Vorfälle gar nicht erst gemeldet werden. Aber das Gefühl der Sorge und Angst ist gestiegen", sagt AJC-Sprecher Fabian Weißbarth.

"Gemeinsamer Nenner vieler politischer Extreme"

Das AJC war die erste jüdische Organisation, die nach der Shoa wieder den Kontakt zu Deutschland aufnahm. Weißbarth nennt Antisemitismus "den gemeinsamen Nenner vieler politischer Extreme". Neben rechtsradikalen Übergriffen gebe es in Europa auch zunehmend "Hasskriminalität, die von Propaganda aus muslimischen Kreisen befeuert" werde. "Das ist ein Trend, der uns zutiefst besorgt."

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte veröffentlichte im November 2013 die Ergebnisse einer Umfrage in den jüdischen Gemeinden Europas. 76 Prozent der Befragten gaben an, der Antisemitismus habe sich in ihren Ländern innerhalb der vergangenen fünf Jahre verstärkt. 16 Prozent der befragten deutschen Juden gaben an, in den vergangenen zwölf Monaten auf Grund ihrer Religion angegriffen oder beleidigt worden zu sein.

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