Anschlag in Nizza:"Die Hölle ist ausgebrochen"

Terror attack in France

In Nizza hat ein 31-Jähriger mindestens 84 Menschen getötet.

(Foto: dpa)

Augenzeugen der Terrorattacke in Nizza schildern furchtbare Szenen an der Promenade.

Zusammengestellt von Lars Langenau

Nizza gegen 23 Uhr, kurz nach einem Feuerwerk anlässlich der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag: Ein weißer Lastwagen rast auf der palmengesäumten Promenade des Anglais mit hoher Geschwindigkeit in die am Strandboulevard versammelten Männer, Frauen, Kinder. Seine Fahrt setzt er im Zickzack etwa zwei Kilometer fort.

"In der Ferne hörte ich plötzlich ein Geräusch, Schreie," schildert der französische Journalist Damien Allemand seine Erlebnisse im Webportal medium.com. "Ich dachte zunächst, irgendein Witzbold hat sein eigenes kleines Feuerwerk angezündet und die Kontrolle darüber verloren. Nur den Bruchteil einer Sekunde später raste ein riesiger weißer Lastwagen in wahnsinniger Geschwindigkeit vorbei. Dabei hat er immer wieder gelenkt, um möglichst viele Menschen niederzumähen. Dieser Lastwagen des Todes ist nur wenige Meter an mir vorbeigefahren, und ich habe ihn noch nicht einmal realisiert. Die Menschen in seinem Weg sind wie Bowlingkegel weggeflogen. Ich hörte Geräusche, Schreie, die ich nie mehr vergessen werde. Ich war starr vor Angst." Überall seien Tote gewesen.

"Es war das absolute Chaos"

Auch andere Augenzeugen berichten von der enormen Gewalt des Anschlags und schildern furchtbare Szenen. Ihnen gemeinsam ist, dass sie zunächst dachten, dass der Fahrer die Kontrolle über sein tonnenschweres Fahrzeug verloren hätte. Erst später realisieren sie, dass er willentlich in die Menschenmenge fuhr. Der Lastwagen sei "mit vollem Tempo auf die Leute zugerast", die gerade nach Hause gehen wollten, sagt der AFP-Journalist Robert Holloway, der als Tourist in Nizza weilte. "Ich war ungefähr hundert Meter entfernt und hatte nur wenige Sekunden, um auszuweichen." Weiter: "Wir sahen, wie Leute getroffen wurden und wie Gegenstände umherflogen. Ich musste mein Gesicht vor den umherfliegenden Gegenständen schützen." Sofort breitete sich Panik aus, die Menschen rannten um ihr Leben. "Die Leute haben geschrien, es war das absolute Chaos."

Die Augenzeugin Isabelle Granger sagte: "Es sind Gerüchte aufgekommen, dass es sich um Terroristen mit Gewehren handelt. Deshalb haben wir uns in einen Keller geflüchtet. Dort haben wir im Dunkeln ausgeharrt. Mehrere Ausländer waren unter uns, Engländer. (...) Wir haben keinen Mucks von uns gegeben. Wir hatten große Angst. Die Frauen weinten und die Kinder, jeder hatte Angst. Auch die Männer."

"Die Hölle ist ausgebrochen", berichtet Augenzeuge Roy Calley im britischen Rundfunksender BBC. "Davor war es eine feierliche Atmosphäre, es war lustig, die Leute hatten Spaß." Dann habe er so etwas wie eine gewaltige Explosion oder einen gewaltigen Knall gehört. "Viele Leute haben geschrien. Dann kam etwas, von dem ich dachte, das seien vielleicht Schüsse."

Auch Ben und Elyse Phelps aus Perth erlebten den Anschlag hautnah mit. "Wir waren an der Promenade, als der Lastwagen mit 50, 60 Kilometern in der Stunde durch die Menschenmenge fuhr und sie ummähte. Wir sind in Panik weggerannt, weg vom Meer. Dann hörten wir Schüsse und sind weitergerannt landeinwärts." Ein Mann habe sie in seine Wohnung gezogen, wo sie sich eine Stunde versteckt hätten.

"Sie haben ihn getötet und sein Kopf hing aus dem Fenster"

Auch die Australierin Emily Watkins sagt dem Sender Australian Broadcasting Corporation, sie habe zuerst gar nicht begriffen, was passiert sei. "Aus der Richtung, in der der Lastwagen war, kamen viele Schreie. Leute sind auf uns zugerannt ohne wirklich zu wissen, was passiert. Und wir haben uns umgedreht und sind auch gerannt."

"Die Leute sind in dem Chaos über andere gestolpert, es gab viel Panik", sagt ihr Partner David Cody. "Menschen haben versucht, in Hotels oder offene Geschäfte zu kommen, um Schutz zu finden, weil unklar war, was passiert. Mit jedem Knall, den wir hinter uns gehört haben, wurden die Leute ein bisschen schneller."

Eine 52-jährige Frau aus Nizza berichtet: "Ich habe einen Knall gehört, ich habe mich umgedreht, und da habe ich den rasenden Lastwagen und durch die Luft wirbelnde Körper gesehen. Man hat gesehen, dass er so viele Opfer wollte wie möglich. Ich habe einen Vater mit seinem zweijährigen Sohn im Arm gesehen. Der Kleine war tot."

Im Fernsehsender BFMTV sagte ein weiterer Augenzeuge: "Er hat genau vor mir angehalten, nachdem er viele Leute überfahren hatte. Ich habe einen anderen Mann auf der Straße gesehen, wir haben gemeinsam versucht, mit dem Fahrer zu sprechen, damit er aufhört." Dann habe der Täter eine Waffe gezogen und auf Polizisten geschossen. "Sie haben ihn getötet und sein Kopf hing aus dem Fenster."

Eine japanische Studentin sagte im japanischen Sender Fuji TV: "Der Fahrer fuhr mit der Absicht zu töten. Es schien, als würde man überfahren, egal ob man nach links oder rechts rennt (...). Ich dachte, ich würde sterben, also bin ich gerannt. Nur daran habe ich denken können." Eine weitere Augenzeugin ergänzte: "Wir sind zum Meer gerannt, um den Schüssen zu entkommen, manche Leute sind ins Meer gesprungen." Später sei sie zurück zur Straße gegangen, berichtet sie. "Da war ein schwer verletzter junger Mann. Ich bin hin und her gerannt, um einen Arzt zu suchen und bin mit einem Arzt zu dem jungen Mann zurückgekehrt. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist."

Auch Deutsche erlebten den Anschlag unmittelbar mit. Der Münchner Blogger und BR-Journalist Richard Gutjahr twitterte um 23:07 Uhr: "Der Moment, wenn sich vor deinen Augen ein Terroranschlag ereignet." Dann schob er gleich noch nach: "Und nein, jetzt kein Periscope-Livestream." Er berichtete von Verletzten in den Hotel-Foyers.

Die Journalistin Janine Konopka erlebte das Grauen vor Ort und schilderte der Schwäbischen Zeitung ihre Eindrücke. "Dieser Lkw, der raste komplett auf uns zu, also er war wirklich zum greifen nah, und es ging um Millisekunden. Ich habe dann meine Mutter zur Seite gestoßen und auf den Boden geworfen und bin auch auf sie draufgefallen. Und die Menschen neben uns, die hinter uns waren oder seitlich - die sind entweder überrollt worden oder auch woanders hingeworfen worden." Während der Schüsse hätten sie und ihre Mutter sich dann hinter einer Palme versteckt.

Der Augenzeuge Tarubi Wahid Mosta veröffentlicht auf seiner Facebook-Seite erschütternde Fotos - eine Puppe, die auf der Straße liegt, ein verlassener Kinderwagen, ein zerbrochener Kinderroller. "Es war ein Albtraum - ich war inmitten von Leichen", schreibt er und berichtet, wie Menschen neben toten Angehörigen ausharrten. "All diese Toten und die Familien - sie saßen stundenlang auf dem Boden und hielten die kalte Hand von Toten."

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