Anschlag in Barcelona:Unterschlupf im Luxushotel

Anschlag in Barcelona: Polizisten eskortieren Menschen in der Nacht zurück zu ihren Unterkünften.

Polizisten eskortieren Menschen in der Nacht zurück zu ihren Unterkünften.

(Foto: AFP)

Nach dem Anschlag in Barcelona sperrt die Polizei einen Teil der Innenstadt, Hunderte Menschen kommen nicht nach Hause oder in ihre Unterkunft. Ein Festsaal in einem Hotel wird für einige zum Schlafsaal.

Von Martin Zips, Barcelona

Wie eine Viehherde treiben die Beamten der spanischen Polizei die Menschenmassen mit Trillerpfeifen immer wieder auseinander. Gruppen von je etwa 100 Personen werden am Donnerstagabend zu Fuß die Flaniermeile Ramblas heruntergeführt. Am späten Nachmittag ist hier ein Unbekannter mit einem Lieferwagen durch die Menge gerast und hat 13 Menschen getötet. Die Gegend um den beliebten Boulevard wurde gesperrt.

Viele Menschen, darunter auch Senioren und Familien, müssen nach dem Anschlag in der sommerlichen Hitze der Stadt ausharren. So auch drei junge Mädchen aus Ingolstadt. Sie haben am Strand von dem Terroranschlag erfahren. Kilometerlang sind sie mit Badehandtuch und Schlappen in der Stadt umhergeirrt, es ist der erste Tag ihres Sommerurlaubs. Nun wissen sie nicht, wie sie wieder zurück zu ihrem Hotel in die Sperrzone kommen sollen. Die öffentlichen Verkehrsmittel rund um den mittelalterlichen Stadtkern, in dessen Mitte die Rambla liegt, haben ihren Betrieb eingestellt. Geschäfte und Cafés - auch jene, die weit vom Ort des Geschehens entfernt liegen - haben ihre Gitter heruntergelassen. Noch nicht einmal bis zur Plaça Catalunya kommen die Menschen, auf der Suche nach einem Bett für die Nacht.

Ein junges Pärchen aus São Paulo, das gerade auf Hochzeitsreise ist, bringt in Erfahrung, dass sie in einem Luxushotel Unterschlupf finden können. In Anzug und Krawatte wählt der Hoteldirektor diejenigen persönlich aus, die er in seine goldgeschmückte Hotellobby lässt. Das Rote Kreuz und die Polizei haben in dem Gebäude ein Lagezentrum eröffnet.

Alle sind äußerst hilfsbereit. Ein Festsaal wird zum Schlafsaal gemacht, Wasser und Verpflegung stehen für die Dutzenden Gestrandeten bereit. Aufladegeräte für das Handy werden organisiert. Hier kommen Menschen aller Nationen auf engstem Raum zusammen. Chinesen, Amerikaner, Deutsche, Schweden, viele davon mit kleinen Kindern. Alle haben den Tag in der Stadt verbracht, in einem der vielen Museen, in Kirchen, Parks oder am Strand. Und wissen nun nicht, wann und wie sie wieder in ihre Unterkünfte zurückkehren können.

Kurz nach Mitternacht meldet eine Hotelmitarbeiterin, die Ramblas seien wieder frei. Sofort setzt sich die Masse in Bewegung, viele danken dem Hoteldirektor. Dann geht es hinaus in die Dunkelheit. "Haben sie den Terroristen denn schon geschnappt?", fragt eine junge Spanierin. "Ich glaube nicht", sagt eine Polizistin. Viele Menschen haben Tränen in den Augen als sie einem Polizisten mit Leuchtstab in der Hand zunächst zu der einen, dann zur nächsten Straßensperre einige hundert Meter weiter folgen.

Stühle, Postkartenständer, Einkaufstaschen liegen verstreut

Das Gedränge ist riesig, die Erleichterung groß, als sich die Menschen aus dem Hotel zusammen mit den gerade vom Flughafen eingetroffenen Touristen einer Gruppe anschließen können, die von der Polizei begleitet wird. Es dauert zwei weitere Stunden, bis die Beamten die Menschen in die Viertel eskortieren, in denen sie ihre Bleibe haben. Der Weg führt vorbei an der Plaça Catalunya, wo der Attentäter seine schreckliche Fahrt begann.

Noch Stunden nach dem Attentat liegen Stühle, Postkartenständer, Einkaufstaschen und Kinderwägen auf den Ramblas verstreut. Polizisten ermahnen die vorbeiziehenden Touristenmassen, nicht stehen zu bleiben und nicht zu fotografieren. Hinter den Absperrungen sind die Blumenläden, Obst- und Zeitschriftenständer im grellen Licht der Polizei zu sehen.

Neben goldener Feuerwehrfolie sind auf dem Boden der Rambla unterschiedlich große gelbe Kreise gesprüht. Die großen bezeichnen die Fundorte der erwachsenen Leichen. Neben zwei umgestürzten Kinderwägen befinden sich kleinere Kreise. Nach und nach verschwinden die Touristen und Anwohner in den dunklen Seitenstraßen, wo sich dicht an dicht die Häuser des mittelalterlichen Viertels reihen. Auf den sonst so lauten und lebhaften Ramblas ist es in dieser Nacht gespenstisch still.

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