Anschlag in Bangkok:Verdächtiger auf Überwachungsvideo entdeckt

Scores of casualties reported as explosion rocks central Bangkok

Polizisten untersuchen den Ort der Detonation rund um den Erawan-Schrein.

(Foto: dpa)
  • Nach einem Bombenanschlag in Bangkok suchen Sprengstoffexperten rund um den Ort der Explosion nach Hinweisen - bislang erfolglos.
  • Mehr Aufschluss gab ein Überwachungsvideo. Darauf wurde ein Verdächtiger mit Rucksack entdeckt.
  • Ein weiterer Anschlag an einer Anlegestelle für Ausflugsboote schürt die Angst im Land.
  • Dem Verteidigungsminister zufolge passen die Anschläge nicht zu den Methoden muslimischer Rebellen, die im Süden des Landes gegen die thailändische Armee kämpfen und schnell als Täter im Gespräch waren.

Von Arne Perras

Zwischen Feuer, Rauch und all den Leichen versuchten Thailands Sprengstoffexperten einen klaren Kopf zu bewahren. Hinter der Absperrung, rund um den Erawan-Schrein, der wie ein Wunder stehen geblieben ist und immer noch golden schimmert, haben die Fahnder in den Stunden nach dem Anschlag jeden Fetzen umgedreht. Sie arbeiteten sich durch die Trümmer, um Spuren zu finden, die zum Täter führen könnten. Während sie sich in die Kleinarbeit vertieften, herrschte um sie herum immer noch Chaos, es brannte und qualmte, Retter schoben Verletzte in die Krankenwagen und deckten weiße Tücher über verstümmelte Tote.

Am Tag danach können die Fahnder noch keine Antwort geben auf die Frage, die das ganze Land umtreibt: Wer hat das getan? Wer sind die Drahtzieher des Anschlags, dessen Ausmaß und Brutalität alles übertrifft, was Thailand bisher kannte? Während viele trauern, sagt Verteidigungsminister Prawit Wongsuwan: "Wir werden sie zur Strecke bringen." Die Regierung demonstriert Entschlossenheit, aber die Jagd könnte kompliziert werden. Und am Dienstag schürt eine weitere Bombe, die nahe einer Anlegestelle für Ausflugsboote detoniert, die Angst. Zwar wurde niemand verletzt, doch zur Ruhe kommt die Metropole so kaum. Fassungslos blicken viele auf das Grauen, das sich ohne jede Vorwarnung in ihrer Mitte breitgemacht hat.

Der Mann im gelben T-Shirt setzt einen Rucksack am Tatort ab und verschwindet

Untersuchungen der Bombenüberreste deuten laut Polizei darauf hin, dass die Sprengsätze von denselben Tätern fabriziert wurden Bekannt hat sich niemand zu den Anschlägen. Zwar ist klar, dass die Bombenbastler möglichst viele Menschen töten wollten, offenbar wurden Bestandteile von Kugellagern eingebaut, um die Zerstörungskraft zu erhöhen. Trümmerteile flogen bis zu hundert Meter weit. Doch eine eindeutige Spur zu den Tätern lieferte die Analyse der Experten offenbar nicht. Dafür aber bringen Videoaufzeichnungen die Ermittler weiter. Polizei und Militär konzentrieren sich auf das Bild eines Verdächtigen, der mit einem Rucksack auf dem Rücken kurz vor der Explosion am Tatort auftaucht, das Gepäck absetzt und kurz danach, auf anderen Bildern, ohne Rucksack verschwindet. Es ist ein junger Mann mit gelbem T-Shirt und großer Brille, sein Gesicht ist schwer erkennbar. Premier Prayuth sagt, man wisse noch nicht, wer er sei. Die offiziellen Auskünfte sind verwirrend. Ein Polizeisprecher versichert: "Dieser Typ im gelben Shirt ist nicht nur der Verdächtige, er ist der Bombenleger." Ein Regierungssprecher will das nicht bestätigen, nennt ihn nur einen Verdächtigen.

Nicht die Handschrift muslimischer Rebellen

Das Muster des Anschlags und die Bauart der Rohrbombe passen laut Verteidigungsminister Prawit nicht zu den Methoden muslimischer Rebellen im Süden Thailands. Sie wurden rasch als mögliche Täter genannt. An der Grenze zu Malaysia kämpfen Separatisten gegen die Armee, ein brutaler Konflikt ist das, der schon mehr als 6000 Todesopfer gefordert hat. Doch die Gewalt entlud sich stets im Krisengebiet selbst, nie haben die Rebellen eine Bombe in Bangkok gezündet. Ein Beweis, dass die Täter woanders zu suchen sind, ist das aber noch nicht. Prayuth betont: "Ich schließe nichts aus."

Mehrere Gruppen kommen demnach in Betracht, auch solche, die sich gegen die Militärregierung stellen, wie die Polizei bestätigt. Sogar über den Konflikt Chinas mit aufständischen muslimischen Uiguren wird diskutiert. Wollten Extremisten Thailand dafür bestrafen, dass es kürzlich mehr als hundert geflohene Uiguren nach China auslieferte? War es ein Racheakt, der mit den inneren Spannungen Thailands gar nichts zu tun hat? Auffällig ist, dass die Täter auf einen Ort zielten, den viele chinesische Touristen aufsuchen. Einige von ihnen starben bei dem Anschlag, der 20 Todesopfer forderte und 125 Menschen verletzte. Die Liste der Verletzten verzeichnet ebenfalls viele chinesische Namen.

Täter treffen Thailands neuen Lebensnerv

General Prayuth sagt, die Täter hätten Wirtschaft und Tourismus treffen wollen. Dafür spricht die Wahl des Tatorts. Er ist stets von Touristen bevölkert. Die Urlaubsbranche hat dem Land den Aufschwung gebracht, sie ist ein wichtiger Lebensnerv. Millionen Jobs hat der Tourismus geschaffen, auf den Inseln, in den Städten, in den Bergen und den Naturparks. Für viele Erholungsuchende aus Ost und West bietet Thailand die perfekte Mischung aus Natur, Kultur und Strand. Und die Sehnsüchte der Sonnenhungrigen hat der Staat immer bedient, indem er sich als Paradies darstellte, als Land des Lächelns, in dem die Menschen ihren Kunden mit Charme begegnen und ihnen jeden Wunsch erfüllen.

Politische Lager stehen sich nach wie vor verfeindet gegenüber

Doch die zur Schau gestellte Harmonie des überwiegend von Buddhisten bewohnten Landes war nie perfekt. Immer öfter erwies sie sich in den vergangenen Jahren als Fassade, vor allem dann, wenn die verfeindeten politischen Lager zu Demonstrationen aufriefen und Bangkok ins Chaos stürzten. Das Militär setzte den Unruhen schließlich ein Ende. Wer die Konflikte vereinfacht darstellen wollte, sprach vom ewigen Duell zwischen den Rothemden und den Gelbhemden. Gelb ist die Farbe der Königstreuen, Rot nutzte die Gefolgschaft von Ex-Premier Thaksin Shinawatra und dessen Schwester Yingluck, die ihre Basis vor allem im Nordosten des Landes haben. Die Spaltung hat die Armee mir ihrem Putsch nicht überwunden. Das Establishment bleibt ein erbitterter Gegner der gestürzten Premierministerin Yingluck, die, wie einst ihr Bruder, eine Mehrheit der Wähler hinter sich weiß. Bei vielen hat sich seit dem Putsch Frust angestaut, sie wollen ihre demokratischen Rechte zurück. Das Militär aber steht den konservativen Kräften nahe, die seit Jahren keine Wahl gewinnen. Sie wollen nun, unter der Militärherrschaft, die Verfassung zu ihrem Vorteil ändern, um erst dann zu Wahlen anzutreten - ein Kurs, der die Gegner zermürbt.

Hardliner aus dem Umfeld der Rothemden haben zwar wiederholt Sicherheitskräfte attackiert, aber, soweit bekannt, nie mit Bomben auf große Menschenmengen gezielt. Die Täter vom Montag aber, aus welchen Kreisen sie auch kommen, haben eine Dimension der Gewalt nach Thailand getragen, die es so zuvor nicht gab.

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