Angeklagt wegen Totschlags:Krebsärztin vor Gericht

Die Krebsärztin aus Hannover, die 13 Patienten durch unangemessen hohe Dosen Schmerzmittel getötet haben soll, steht erneut vor Gericht. Und bricht erstmals ihr Schweigen.

Aufgewühlt und unter Tränen hat eine Krebsärztin im Landgericht Hannover den Vorwurf zurückgewiesen, 13 Patienten mit zu hohen Schmerzmittel-Dosen umgebracht zu haben.

"Der Vorwurf einer bewussten oder gewollten Tötung entbehrt jeder Grundlage", betonte die Medizinerin zum Prozessauftakt. Vielmehr habe sie das Leiden der schwer kranken Menschen lindern und ihnen ihre letzte Lebenszeit schmerzfrei gestalten wollen. "Der Todeseintritt wurde durch keine meiner Maßnahmen verursacht oder beschleunigt", betonte sie.

Morphium und Valium, hochdosiert

Die Frau soll die schwerkranken Patienten in einer Klinik in Langenhagen bei Hannover zwischen 2001 und 2003 mit hochdosiertem Morphium und Valium getötet haben. In einem ersten Prozess wurde kein Urteil gefällt, weil ein Richter erkrankte.

Sieben Patienten seien wegen fortgeschrittener Tumorerkrankungen, die anderen sechs wegen langer chronischer Leiden dem Tod nahe gewesen, betonte die 59-Jährige. "Jeder Mensch hat das Recht, in seinem letzten Lebensabschnitt in Würde und angstfrei zu leben." Alle Morphiumgaben seien medizinisch indiziert gewesen.

Die Angeklagte äußerte sich erstmals detailliert zur Anklage - bislang hatte sie stets ihre Anwälte reden lassen. Die Frau hat inzwischen keine ärztliche Zulassung mehr, sie saß zunächst auch in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen begannen bereits 2003, nachdem einer Krankenkasse der ungewöhnliche hohe Morphiumverbrauch in der Klinik aufgefallen war.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Medizinerin Totschlag vor, sie soll als verantwortliche Internistin unangemessen hohe Schmerzmittel-Dosen an die 13 Patienten im Alter zwischen 52 und 96 Jahren verabreicht zu haben. Insgesamt 87 Fälle ließ die Staatsanwaltschaft insgesamt überprüfen, Krankenakten wurden ausgewertet und auch Leichen exhumiert und untersucht.

Ausreichende Dokumentation fehlt

"Ihr war bewusst, dass es nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprach, was sie tat", sagte Staatsanwältin Regina Dietzel-Gropp.

Unter den gestorbenen Patienten seien nicht nur schwerkranke Menschen gewesen, sondern beispielsweise auch ein Mann, der nur an Husten, Austrocknung und anhaltender Schwäche litt. Bei diesem habe sie keine weitere Diagnostik veranlasst, sondern lediglich Morphium verordnet. Der Mann starb kurze Zeit später.

In keinem der 13 Fälle habe ich die letzte Lebenszeit meiner Patienten durch Morphium verkürzt", verteidigte sich die Medizinerin. Sie räumte aber ein, sie habe ihre Diagnose und die eingeleiteten Maßnahmen nicht immer ausreichend schriftlich dokumentiert. "Das ist zweifellos der schwerwiegende Fehler, der mich hierher gebracht hat."

Urteil erst in ein bis zwei Jahren

Die Schlussfolgerung, die Kranken und ihre Angehörigen seien über den Gesundheitszustand und die Behandlung nicht informiert worden, sei aber falsch.

Verteidiger Matthias Waldraff rügte zu Prozessbeginn die lange Verfahrensdauer. Nach der geplatzten ersten Verhandlung hat die Kammer diesmal bisher 26 Termine anberaumt, mit einem Urteil wird aber erst in ein bis zwei Jahren gerechnet.

Deutschlandweit Patienten

Im Gerichtssaal verfolgten zahlreiche ehemalige Patienten die Verhandlung und demonstrierten ihre Solidarität mit der Ärztin, die inzwischen eine "Praxis für Präventologie" in Bad Salzdetfurth (Region Hildesheim) betreibt.

Die Medizinerin betonte, Patienten aus dem gesamten Bundesgebiet seien zu ihr gekommen, teilweise seien sie auch aus der Medizinischen Hochschule Hannover zu ihr verlegt worden. "Palliativ- oder Hospizstationen waren damals kaum vorhanden, ambulante Palliativpflege existierte nicht." In Palliativstationen werden Menschen in ihren letzten Lebenstagen oder -monaten begleitet und Symptome weitmöglich gelindert.

Im ersten Prozess lieferten sich Gutachter einen erbitterten Streit darüber, ob die Kranken durch die Schmerzmittel starben oder durch ihre Ursprungsleiden. Viele hatten Krebs im Endstadium. Bei anderen Kranken soll für Angehörige nicht klar erkennbar gewesen sein, dass sie möglicherweise bald sterben würden. So tritt die Tochter einer 80-jährigen Patienten in dem Verfahren als Nebenklägerin auf.

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