Amokläufe an US-Schulen:Gemeinschaft gegen Gewalt

Marine Corps Police officers cover a hallway during a training exercise to respond to a shooting at Quantico Middle High School in Quantico

Vorbereitung für den Ernstfall: Polizisten des United States Marine Corps trainieren in einer High School in Quantico im US-Bundesstaat Virgina für einen Einsatz bei einem Amoklauf

(Foto: REUTERS)

Der Ermittlungsbericht zum Amoklauf von Newtown zeigt, wie schnell und brutal der Täter vorgegangen ist. Obwohl sich solche Gewaltakte wohl nie ganz verhindern lassen, sind Schulen in den USA heute sicherer als früher.

Von Pascal Paukner

Als Adam Lanza an jenem Morgen im Dezember die Sandy Hook Elementary School in Newtown betritt, weiß er, dass er sich beeilen muss. Viel Zeit würde er nicht haben, dann würden ihm, dem schwerbewaffneten Attentäter, schwerbewaffnete Beamte in die Schule folgen. Diese Polizisten würden nicht wahllos auf Unschuldige ballern. So wie er das vor hatte. Sie würden ein einziges Ziel haben: Ihn zur Strecke bringen. Adam Lanza, den Amokläufer von Newtown.

Also beeilt er sich. Um 9.35 Uhr am 14. Dezember 2012 geht im Polizeirevier von Newtown der erste Notruf ein. Keine fünf Minuten später, wenige Sekunden nach 9.40 Uhr nimmt sich Lanza das Leben. Innerhalb weniger Minuten hat der Amokläufer 26 Menschen getötet, 20 von ihnen sind noch Kinder.

Was geht in einem 20-Jährigen vor, der ohne ersichtliches Motiv erst seine Mutter, dann 20 Kinder, sechs Erwachsene und schließlich sich selbst hinrichtet? Auf diese Frage gibt es auch jetzt, fast ein Jahr nach der Tat, keine Antwort. Ein Ermittlungsbericht gibt nun erstmals genauere Einblicke in den Ablauf der Tat. Die wichtigste Frage lässt er aber unbeantwortet.

Der Horror an der Sandy Hook Elementary School rüttelt auf. Erinnerungen an vergangene Amokläufe werden wach. Und natürlich denken vor allem in den USA wieder viele daran, was 13 Jahre zuvor in Columbine geschehen ist. Einem der einschneidendsten Erlebnisse, das die amerikanische Öffentlichkeit in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat; als zwei Halbwüchsige eine High School in der Kleinstadt nahe Denver stundenlang terrorisierten und dabei zwölf Schüler und einen Lehrer ermordeten, sowie 24 Menschen verletzten und sich schließlich selbst richteten.

Heute greifen stärkere Sicherheitsmaßnahmen

Nun wäre es leicht, den Amerikanern Untätigkeit vorzuwerfen, weil sie in all den Jahren ihre Waffengesetze nicht verschärft haben. Weil sie scheinbar wenig getan haben, um die vielen anderen Schul-Schießereien zu verhindern, die es seit Columbine gegeben hat.

Doch tatsächlich ist selbst in den USA in den vergangenen Jahren einiges geschehen, um die Schulen sicherer zu machen:

  • Wenn Amerikas Bürger immer weiter aufrüsten, dann müssen auch die Schulen aufrüsten. So dachten sich das viele Verantwortliche nach dem Amoklauf von Columbine - und verschärften jahrelang die Sicherheitsvorkehrungen an ihren Schulen. Vielerorts wurden Metalldetektoren und Überwachungskameras an Schuleingängen installiert und Sicherheitspersonal positioniert. Das Mitbringen von Rucksäcken wurde verboten und die Schüler mit Einlasskarten ausgestattet. Seit einigen Jahren sind die Investitionen in neue Sicherheitstechnik an amerikanischen Schulen allerdings rückläufig.
  • Stattdessen setzen Schulen auf den Aufbau einer starken Schulgemeinschaft, die solche Gewaltausbrüche von vornherein verhindern soll. Laut einer Untersuchung des Secret Service (PDF) offenbaren 81 Prozent der Amokläufer an Schulen ihre Pläne vorab gegenüber einem Unbeteiligten. Je umfangreicher das Vorhaben, desto wahrscheinlicher ist es, dass der potentielle Amokläufer vorab darüber berichtet. Deshalb sind Lehrer und Mitschüler heute angehalten, auf mögliche Andeutungen reagieren. Zudem versuchen viele Schulen mit Aufklärungsprogrammen Mobbing einzudämmen und bieten betroffenen Schülern Beratungsangebote an.
  • Die meisten Schulen haben ihre Notfallpläne überarbeitet. Vielerorts finden nun mindestens einmal im Jahr Übungen statt, die Schüler und Lehrer auf das richtige Verhalten bei Schießereien im Schulgebäude vorbereiten sollen. Außerdem proben Polizisten in Schulgebäuden den Ernstfall.
  • Die Polizei hat ihre Einsatztaktik grundlegend überarbeitet. Haben sich die Polizisten beim Amoklauf von Columbine nach einem ersten Schusswechsel mit einem der Täter zunächst noch zurückgehalten und auf das Eintreffen eines Sondereinsatzkommandos gewartet, lautet die Devise heute: sofortiger Zugriff. Das war auch die Taktik der Polizei in Newtown. "Die erste Priorität war es, den Schützen zu stoppen", heißt es in dem jetzt veröffentlichten Ermittlungsbericht.
  • Es ist eine Entwicklung, welche die amerikanischen Behörden nicht aktiv herbeigeführt haben, die ihnen aber im Fall von Amokläufen in die Hände spielt: Nahezu alle Jugendliche verfügen heute über ein eigenes Handy. Kommt es im Schulalltag zu ungewöhnlichen Vorkommnissen, ist es deutlich einfacher, Hilfe zu rufen. Viele Schulen haben nach dem Amoklauf von Columbine bestehende Handyverbote aufgehoben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: