Amnestie zu Weihnachten:Geschenkte Freiheit

Weihnachtsamnestie

Etwa 2000 Gefangene werden jedes Jahr davor bewahrt, Weihnachten hinter Gittern zu verbringen. Bei bestimmten Voraussetzungen begnadigen die Behörden sie noch vor dem Fest.

(Foto: dpa)

Wenige Wochen vor Heiligabend ist die Justiz in Deutschland gnädig - und entlässt vorzeitig Hunderte Häftlinge. Hinter dieser Tradition steht nicht nur Menschenliebe, sondern eine ganz praktische Überlegung.

Von Caro Lobig

Wenn das Weihnachtsfest bevorsteht, kommt es für Gefangene durchaus auf ein paar Tage mehr oder weniger an. Vor allem, wenn sie selbst Einfluss auf eine frühzeitige Begnadigung haben. Inhaftierte dürfen auch in diesem Jahr wieder bei der Gnadenstelle ihres Landgerichtbezirks eine vorweihnachtliche Freilassung beantragen.

Um von den zuständigen Prüfern der Anträge tatsächlich begnadigt zu werden, müssen sie aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen: Die Gefangenen müssen sich von einem bestimmten Stichtag an, in Hamburg ist es der 21.September 2013, ununterbrochen in Haft befinden. Ihr reguläres Strafende muss in den meisten Ländern zwischen November 2013 und Januar 2014 liegen. Am besten stehen die Chancen für eine Amnestie bei guter Führung und wenn Wohnsitz und Lebensunterhalt geklärt sind.

Meistens werden Straftäter begnadigt, die wegen Vergehen wie Diebstahl, Betrug oder leichter Körperverletzung verurteilt wurden. Ausgeschlossen von der Weihnachtsamnestie sind alle, die aufgrund schwerer Delikte im Gefängnis sitzen. Dazu gehören beispielsweise Menschen, die wegen Mordes, Vergewaltigung, Drogenverbrechen oder Staatsschutzvergehen verurteilt wurden.

14 Bundesländer vor Weihnachten gnädig

Da der Strafvollzug in Deutschland Ländersache ist, entscheidet jedes Bundesland für sich über die Regeln für weihnachtliche Gnadenerweise. Bayern und Sachsen sind die einzigen Länder, die sich nach wie vor gegen ein solches Gesetz wehren. In den anderen Bundesländern werden insgesamt etwa 2000 Gefangene jährlich im Rahmen der Weihnachtsamnestie auf freien Fuß gesetzt.

So auch in diesen Tagen: Manche sind schon draußen, anderen steht die Freilassung kurz bevor. Über viele Anträge haben die Gnadenstellen aber noch gar nicht entschieden. Folglich kann die Zahl der amnestierten Häftlinge bis Ende des Jahres noch steigen. Jeder Fall wird einzeln geprüft: Dazu fragen die Sachbearbeiter bei den jeweiligen Justizvollzugsbeamten nach, wie der Antragsteller sich geführt hat.

Hunderte Inhaftierte dürfen sich schon jetzt freuen: In Nordrhein-Westfalen, dem Land mit den meisten Häftlingen, sind es 748, in Hamburg 31 und in Berlin 107 Begnadigte. Detlef Feige, Pressesprecher des nordrhein-westfälischen Justizministeriums, erklärt: "Jeder der Amnestierten darf sein Gefängnis dadurch schon zwei bis vier Wochen früher verlassen."

Wie viele Inhaftierte von den Gnadenerweisen profitieren dürfen, ist nicht vorgegeben. "In Nordrhein-Westfalen waren es in den vergangenen Jahren immer zwischen 700 und 1000", sagt Feige. Das hänge immer davon ab, wie viele Gefangene die vorgegebenen Kriterien erfüllen. Wer noch vor dem Fest frei komme, werde vor dem "Weihnachtsloch" bewahrt, sagt der Sprecher der Hamburger Justizbehörde, Sven Billhardt. "Wenn ein Häftling zu Weihnachten wieder bei seiner Familie sein darf, kann er sich schneller wieder in das soziale Leben eingliedern", so Billhardt.

Wegen Überfüllung entlassen

Die Zahl der Gnadenerweise war in den vergangenen Jahren rückläufig. "Früher waren es noch wesentlich mehr Begnadigte, weil die Gefängnisse so grässlich überfüllt waren", erklärt Christian Pfeiffer, Direktor des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Deshalb sei es vor zehn Jahren noch nötig gewesen, Insassen aus Platzgründen vor Weihnachten nach Hause zu schicken, sagt er. "Heute führen die Länder die Tradition aus humanitären Gründen weiter." Laut Billhardt spielen aber auch organisatorische Aspekte eine Rolle: "In der Feiertagszeit sind kaum Behördengänge möglich." Die Inhaftierten können sich also nur vor den freien Tagen um Job, Sozialhilfe und Wohnung kümmern.

Aber nicht nur vor Weihnachten werden deutsche Gefängnisse leerer. In den vergangenen Jahren sank die Zahl der Häftlinge hierzulande um 18 Prozent: Während die Bundesrepublik Ende 2003 knapp 80.000 Gefangene und Verwahrte zählte, waren es Anfang 2013 nur noch fast 65.000.

Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich unter 221 Ländern auf Platz 167. Laut dem International Centre for Prison Studies kamen Anfang des Jahres 79 Inhaftierte auf 100.000 Bürger. In den USA ist die Gefangenenquote mit Abstand am höchsten: Auf 100.000 Einwohner kommen 716 Häftlinge.

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