Alltagsrassismus:Niedersachsen geht gegen Rassismus an der Discotür vor

Wenn Türsteher ausländisch aussehende Gäste abweisen, gab es für die Behörden bisher kaum eine Handhabe. Jetzt drohen bis zu 10 000 Euro Strafe.

Von Oliver Klasen

Es ist ein Satz, den wohl fast jeder, der öfter in Bars, Clubs und Discos geht, schon mal gehört hat: Mit der Standardfloskel "Du kommst hier nicht rein" weisen Türsteher unerwünschte Gäste ab. Wenn der Grund gammelige Turnschuhe sind, drei Bier zuviel oder einfach das Gesicht, das dem Menschen am Einlass nicht gefällt, dann müssen die Gäste das hinnehmen. Der Inhaber des Lokals hat Hausrecht und darf sich seine Gäste aussuchen. Punkt.

Was aber, wenn hinter dem Satz "Du kommst hier nicht rein" nicht banale äußerliche Gründe stecken, sondern blanker Rassismus? Was, wenn in eine Disco drei hellhäutige Besucher problemlos hineinkommen, während drei schwarzen Männern der Einlass verwehrt wird, obwohl beide Gruppen Jeans und Kapuzenpulli tragen?

Die Landesregierung in Niedersachsen geht jetzt gegen Diskriminierung an der Discotür vor. An diesem Montag hat der Landtag in Hannover ein neues Gaststättengesetz verabschiedet, das empfindliche Strafen gegen die Betreiber vorsieht, wenn Besucher wegen ihrer Hautfarbe oder Religion abgewiesen werden. Bis zu 10 000 Euro Bußgeld drohen Disco-Inhabern, bei wiederholten Verstößen können die Kommunen sogar ein Gewerbeverbot aussprechen.

Der Gaststättenverband Dehoga lehnt die Gesetzesänderung ab und argumentiert, Diskriminierung sei ein gesellschaftliches Phänomen, dass sich durch gesetzliche Einzelinitiativen nicht bekämpfen lasse. Hendrik Teetz, der gemeinsam mit einem Partner zwei Discotheken in Buxtehude südlich von Hamburg betreibt, äußert sich zurückhaltender, sieht aber die Gefahr, dass "Leute, die aus ganz anderen Gründen nicht hereingelassen werden", das Gesetz nutzen, um einen Club in Verruf zu bringen und vor Gericht "schnelles Geld zu verdienen". Schon jetzt habe sein Unternehmen von Zeit zu Zeit mit unberechtigten Rassismusvorwürfen zu kämpfen, die über Facebook-Kommentare formuliert werden.

Niedersachsen ist bereits das zweite Bundesland, das gegen den Alltagsrassismus im Nachtleben vorgeht. Vor zwei Wochen wurde in Bremen ein ähnliches Gesetz beschlossen. Das juristische Vehikel war dabei jeweils das Gaststättenrecht, das seit einigen Jahren in der Hand der Bundesländer liegt.

Gleichbehandlungsgesetz auf Bundesebene existiert bereits

Auf Bundesebene gibt es aber längst ein Gesetz gegen Diskriminierung an der Discotür. Das seit 2006 gültige Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verbietet "Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft". Es bezieht sich nicht nur auf staatliche Stellen, sondern auch auf den "Zivilrechtsverkehr", was Gaststättenbetreiber miteinschließt.

Das Problem: Betroffene, die sich Diskriminierung ausgesetzt sehen, können nur vor Zivilgerichten gegen die Discobetreiber klagen und müssen dabei das Prozessrisiko alleine tragen.

In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche solcher Gerichtsverfahren, oft mit gutem Ausgang für die an der Clubtür abgewiesenen Gäste. Erst vor wenigen Wochen verurteilte das Amtsgericht Hannover den Betreiber einer Diskothek zu einer Zahlung von 1000 Euro, weil er einen Anwalt wegen seiner dunklen Hautfarbe nicht eingelassen hatte. Anfang 2014 bekam in einem ähnlichen Fall ein abgewiesener Gast mit türkischem Migrationshintergrund 1000 Euro Schadenersatz.

Türsteher müssen ihr Handeln nicht begründen

In München hat Hamado Dipama, der in Burkina Faso geboren ist, aber seit Jahren in Deutschland lebt und im Ausländerbeirat aktiv ist, im April 2013 sogar den Test gemacht. Von 25 Clubs, bei denen er sich anstellte, hätten ihn 20 Clubs abgewiesen. Seither klagt er auf Unterlassung und Schmerzensgeld gegen sechs Discobetreiber, bei denen ihm die Diskriminierung besonders offensichtlich erschien. Mehrere Prozesse gewann er, der letzte Fall im Juli ging jedoch negativ für ihn aus, weil das Gericht keine ausreichenden Beweise für rassistische Diskriminierung sah.

Das ist häufig genau das Problem. Türsteher sind nicht verpflichtet, ihr Handeln zu begründen. Warum ein bestimmter Gast tatsächlich nicht eingelassen wird, lässt sich im Nachhinein oft nur schwer klären. Im Zweifel können sich die Betreiber meist darauf herausreden, der Gast habe eben "irgendwie nicht hineingepasst". Die Discotür ist per se kein Ort der Gleichberechtigung, sondern ein Ort der harten Auslese, die oft auch ungerecht und willkürlich ist.

Selten lässt sich die DIskriminierung eindeutig nachweisen

Selten ist die Lage so eindeutig wie im Fall eines Mannes aus Oldenburg, der in einem Pub abgewiesen wurde, weil dort "südländisch aussehende Männer keinen Zutritt haben", wie der Türsteher wörtlich gesagt haben soll. Oder wie in Ingolstadt, wo ein Discobetreiber im Frühjahr für Empörung sorgte, weil er nach Beschwerden anderer Gäste keine Asylbewerber mehr in seinen Laden lassen wollte und seine Ankündigung einen Monat später unter dem Druck der Öffentlichkeit zurückzog.

Discobetreiber Teetz lehnt ein solches Vorgehen ab. "Bei uns kommen grundsätzlich alle Ausländer rein. Wir haben auch keinen Dresscode, so lange jemand nicht zerrissene Jogginghosen trägt. Wir machen aber relativ strenge Kontrollen und lassen uns von jedem Gast den Ausweis zeigen, der dann mit unseren Hausverbotslisten abgeglichen wird", so der Buxtehuder Discogeschäftsführer.

Eine Lösung, um den Verdacht des Rassismus gar nicht erst aufkommen zu lassen, wäre mehr Transparenz. So hat das Antidiskriminierungsbüro in Sachsen gemeinsam mit einer Studenteninitiative Clubbetreiber dazu aufgerufen, ein geordnetes Verfahren bei Beschwerden einzurichten und die Einlassregeln per Aushang für alle Gäste sichtbar zu machen.

Allerdings führt auch das wieder zu Schwierigkeiten. Denn, wie man am Beispiel des Berliner Berghains sieht, besteht der Mythos mancher Clubs ja gerade darin, dass die Gäste keine Ahnung haben, warum sie nicht hereingelassen wurden.

Doch zwischen einem verwehrten Discobesuch wegen gammeliger Turnschuhe oder wegen der Herkunft gibt es einen großen Unterschied: Ein unpassendes Outfit kann man beim nächsten Mal ablegen, die Hautfarbe nicht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: