Alkoholverbot:Promille und Contra

Alkoholkonsum im öffentlichen Raum sehen viele deutsche Städte als Problem, das sie kaum kontrollieren können. Manche streiten sich mit ihren Bürgern, wie man damit umgehen sollte - notfalls vor Gericht.

Von Cornelius Pollmer

Seit dieser Woche gilt in der Innenstadt von Duisburg ein Alkoholverbot, und es sieht so aus, als sei die Stimmung dadurch sogar ein bisschen gestiegen. Das liegt zum einen daran, dass Mitarbeiter des Ordnungsamtes an Trinker bisher nur Ermahnungen aussprechen, erst von kommender Woche an droht ein Bußgeld von 35 Euro. Und zum anderen daran, dass der Widerstand gegen die auf ein halbes Jahr testweise eingeführte Regelung gegenwärtig noch heiter ausfällt. "Ich sauf trotzdem weiter", zitierte das Portal Der Westen einen gewissen Alex. "Wir saufen weiter!", versprach kurz darauf in der Bild ein gewisser Alexander. So sehen die Positionen aus, die eine Kompromisslinie in keiner Weise erahnen lassen.

Zurück geht dieser Konflikt auf einen Beschluss des Stadtrates, der auf "das Sicherheitsgefühl von Kunden, Besuchern und Einzelhändlern" reagieren wollte. Es ist ein Versuch, den öffentlichen Raum von Gewalt, Sachbeschädigung, Urinieren und Erbrechen zu befreien. Duisburg steht damit nicht allein. Alkoholkonsum auf Straßen und Plätzen beschäftige viele Städte und sei "vor allem in deutschen Großstädten ein zunehmendes Problem", sagt Verena Göppert, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetags; dass der Alkoholkonsum wenigstens bei Jugendlichen zurückgeht, hilft da nur bedingt. Wo man sich umhört, überall fallen Städtenamen wie Chiffren für Strategien und Schwierigkeiten, dieses Problem zu bewältigen: München, Görlitz, Mannheim.

Stadt Duisburg testet Alkoholverbot in Innenstadt

Ein Hinweisschild zum Alkoholverbot in der Duisburger Innenstadt.

(Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Am Münchner Hauptbahnhof etwa gilt seit 21. Januar: Im Gebäude und in den umliegenden Straßen ist es von 22 bis sechs Uhr untersagt, Alkohol zu trinken oder auch nur in einer offenen Flasche mit sich zu führen. Die Stadt reagierte damit auf die massiv gestiegene Zahl von Pöbeleien und Gewaltdelikten in der Gegend. Die Regelung wirkte anfangs wie gewünscht, einen echten Test aber werden erst verschieden laue Nächte im Sommer bedeuten.

Allen Städten gemein ist die Gewissheit, dass es bei der Regulierung von Alkoholkonsum im öffentlichen Raum keine Lösung gibt, die niemanden in seinem subjektiven Wohlempfinden begrenzt. Es geht um Abwägung, um individuelle Freiheiten einerseits und den Schutz von Jugendlichen und Anwohnern andererseits.

Im sächsischen Görlitz ist man in dieser Frage - je nach Perspektive - bereits einen Schritt weitergekommen oder eben zurückgefallen. Im Sommer des vergangenen Jahres hatte der Stadtrat ein Alkoholverbot beschlossen. Dagegen stellte ein Bürger der Stadt Görlitz einen Antrag. Zur Begründung führte er an, er habe "im Geltungsbereich der Polizeiverordnung in der Vergangenheit auf dem Rückweg von seiner Arbeit Bier getrunken und will dies auch zukünftig tun". So steht es in einer Entscheidungsbesprechung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen. Dieser vorausgegangen war ein Urteil des Gerichts, das das regionale Portal tag24.de mit einer Schlagzeile würdigte, die auch Alex und Alexander vom Duisburger Kuhtor gefallen dürfte: "Alkoholverbot gekippt! In dieser Stadt darf wieder getrunken werden".

„Anti-Exzess-Generation“

Jugendliche trinken heutzutage weniger und maßvoller Alkohol als früher. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellte am Donnerstag eine Umfrage vor, in der jeder zehnte befragte Teenager zwischen 12 und 17 Jahren angab, einmal in der Woche zu alkoholischen Getränken zu greifen - im Jahr 2004 waren es noch mehr als doppelt so viele. Auch bei den Älteren Befragten zwischen 18 und 25 Jahren ist der regelmäßige Alkoholkonsum rückläufig: Knapp ein Drittel trinkt regelmäßig, 2004 war es noch fast die Hälfte. Die BZgA-Leiterin Heidrun Thaiss sagte, als Gründe für maßvolleres Trinken hätten viele junge Leute angegeben, dass ihnen Kontrollverlust peinlich sei; andere fanden einen "Kater" schlicht eklig. "Das Ausschweifende ist nicht mehr cool, es geht zunehmend um Leistung", sagt der Jugendforscher Philipp Ikrath. "Man kann von einer Anti-Exzess-Generation sprechen." Mehr als ein Drittel der befragten 12- bis 17-Jährigen (36,5 Prozent) gab sogar an, noch nie Bier, Wein oder Schnaps probiert zu haben. Das ist der höchste Anteil von Abstinenzlern seit Beginn der Erhebung im Jahr 2001. SZ, dpa

Weniger euphorisch sieht Siegfried Deinege die Sache, der parteilose Oberbürgermeister von Görlitz. Die Aufhebung des Verbots sei "für die Stadt mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz ein Rückschlag". Geplant sind nun verstärkte Einsätze von mobiler Jugendarbeit, Bahnhofsmission und anderer Initiativen wie Vereine. Gefördert wird all das mit 863 Euro - exakt der Summe, welche die Stadt in der Zeit des Verbots als Bußgelder eingenommen hatte. Chancen, dass das Verbot doch wieder eingeführt werden könnte, gibt es kaum. In Sachsen können die Städte zwar seit 2011 mithilfe des Polizeigesetzes den Konsum oder das Mitführen von Alkohol verbieten - oder wenigstens einschränken. Diese Verordnungen aber unterliegen strikten Bedingungen, etwa jener, dass davon ausgegangen werden kann, dass am Ort des Verbots Straftaten wegen Alkoholkonsums begangen werden.

Ähnlich sieht die Regelung in Bayern aus. Die Voraussetzungen für den Erlass von Verordnungen wie an den Hauptbahnhöfen in München oder auch Nürnberg werde "in der Praxis von manchen Gemeinden als zu eng empfunden". Ob im Hinblick darauf gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe, werde geprüft.

In gewissen anderen Fällen aber dürfte selbst das nichts nutzen, und damit nach Mannheim. Zwar hat die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg soeben angekündigt, das nächtliche Alkoholverkaufsverbot aufheben zu wollen, vorläufig gilt aber weiter: kein Verkauf nach 22 Uhr. Sehr beweglich reagierten die Bürger der Stadt Mannheim bisher darauf: Sie gingen einfach über eine Brücke nach Ludwigshafen, und fühlten sich sogleich sehr willkommen in Rheinland-Pfalz.

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