Akrobatik:Biegen und Brechen

Akrobatik: Der zwölfjährige Mohammed al-Scheich knüpft Körperknoten.

Der zwölfjährige Mohammed al-Scheich knüpft Körperknoten.

(Foto: Mahmud Hams/AFP)

Er nennt sich "Spiderboy" und bewegt sich, als stecke kein Rückgrat in ihm. Der Junge aus dem Gaza-Streifen will sich mit seiner Kunst aus der Hoffnungslosigkeit befreien.

Von Peter Münch, Gaza-Stadt

Vielleicht will er es sich ja nur ein wenig gemütlich machen. Mitten im Gespräch jedenfalls greift Mohammed al-Scheich nach seinem rechten Fuß und legt sich locker das Bein hinters Ohr. Dann folgt das gleiche mit links. Er grinst aus seinem Körperknoten heraus und versichert: "Weh tut das nur am Anfang, wenn ich was Neues probiere. Aber das ist schnell vorbei." Im Gazastreifen und mittlerweile weit darüber hinaus kennt man Mohammed al-Scheich als "Spiderboy".

Zwölf Jahre ist der Junge alt, 1,37 Meter groß und 29 Kilo schwer. Knochen fallen da wohl weniger ins Gewicht, der ganze Körper scheint aus Gummi zu sein. Als ob er kein Rückgrat habe, biegt er den Rücken nach hinten und schaut nach vorn durch die Beine. Seitlich ringelt er sich ein wie eine Schlange. "Ein Naturtalent", sagt sein Trainer Mohammed Lubbad. Doch ohne Übung geht nichts. Trainiert wird fast täglich in der Wohnung in Gaza-Stadt, die sich Mohammed mit seinen Eltern, den drei Brüdern und fünf Schwestern teilt.

Aufgefallen ist er zum ersten Mal bei der in Libanon produzierten Fernsehshow "Arabs got Talent". Über Ägypten war dem Jungen zusammen mit seiner Mutter im vorigen Jahr die Ausreise aus dem abgeriegelten Gazastreifen gelungen - großes Glück und eine Ausnahme. Zehn Tage waren sie in Beirut. "Das war toll." Gewonnen hat er die Show nicht, aber 14 Millionen Zuschauer-Stimmen bekommen. "Seitdem bin ich ein arabischer Star", meint er, "aber ich möchte ein internationaler Star werden."

Der Weg dorthin soll über das "Guinness-Buch der Rekorde" führen. Im Gazastreifen, wo alle im Sumpf der Hoffnungslosigkeit stecken, träumt fast jeder davon, sich in der Welt da draußen einen Namen zu machen - egal wie. Die eine sammelt Augenwimpern, um sie zum weltgrößten Wimpernbild zusammenzufügen, ein anderer präsentiert sich als "Gazas Samson" und zieht per Seil einen Zwölf-Tonnen- Bus mit den Zähnen hinter sich her. Mohammed will sich für den Guinness-Eintrag verbiegen, das Video zum angepeilten Rekord ist schon nach Großbritannien geschickt worden. Man sieht ihn darin bäuchlings auf dem Boden liegend, er klappt die Beine nach vorn bis über den Kopf und trippelt mit den Füßen immer wieder um seinen Oberkörper herum, schnell und schneller. Trainer Lubbad präsentiert das Video auf seinem Handy. "34 mal in einer Minute", sagt er, "das sind fünf mehr als beim bisherigen Rekordhalter."

Auch für diesen Sport gab es also bereits einen Rekord, den es zu brechen gilt. "Wenn mein Name in so einem berühmten Buch steht, dann kennt man mich in der ganzen Welt", glaubt Mohammed al-Scheich. "Das wird mein Leben verändern." Von einer Artisten-Karriere träumt er, von Reisen um den ganzen Globus. Doch wie es derzeit aussieht, wird er wohl eher über Youtube bekannt in der Welt. Denn so sehr sich Spiderboy auch verbiegen mag - die Mauern und Zäune rings um den Gazastreifen wird er damit nicht überwinden.

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