Air-France-Absturz über dem Atlantik:Hinweise auf Pilotenfehler

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Es ist ein Rätsel, doch es wird keines bleiben. Der Absturz einer Air-France-Maschine in den Atlantik geht offenbar nicht auf technische Mängel am Flugzeug zurück. Nun geraten die Piloten ins Visier der Ermittler.

Jens Flottau und Stefan Ulrich, Paris

Seit in der Nacht des 1. Juni 2009 ein Airbus mit 216 Passagieren und 12 Besatzungsmitgliedern über dem Südatlantik abstürzte, fragen sich die Angehörigen, der Flugzeugbauer Airbus, die Fluglinie Air France und die Ermittler, wer Schuld trägt an dieser Katastrophe. Viele fürchteten, die Antwort werde am Boden des Ozeans verborgen bleiben. Doch nun versichert die französische Luftfahrtermittlungsbehörde (BEA), der Unfall werde "praktisch sicher" und "vollständig" aufgeklärt.

Die Black Box des abgestürzten Air-France-Airbus lag fast zwei Jahre auf dem Grund des Atlantiks. (Foto: AP)

Die Zeitung Figaro weiß offenbar noch mehr. Sie berichtet am Dienstag, Airbus sei nicht verantwortlich für den Absturz, bei dem auch 28 Deutsche ums Leben kamen. Dies habe eine erste Auswertung des Flugdatenschreibers ergeben. "Nichts scheint auf den kleinsten elektronischen oder mechanischen Fehler beim Ablauf des Unfalls hinzudeuten", meint der Figaro. Er beruft sich auf Regierungs- und Ermittlerkreise. Demnach wäre nun zu klären, ob die Ursache des Absturzes bei Air France oder unmittelbar bei der Besatzung des Flugs Nummer AF447 liegt.

Die BEA widersprach dieser Darstellung. Die Untersuchung werde langwierig werden, ein Zwischenergebnis erst im Sommer verkündet. Zum heutigen Zeitpunkt könnten keine Schlussfolgerungen gezogen werden. "Die Bedienung der Sensationslust durch die Veröffentlichung nicht bestätigter Informationen ist eine Verletzung des Respekts vor den verstorbenen Passagieren und Besatzungsmitgliedern", kritisiert die BEA.

Das Verhalten von Airbus könnte jedoch dafür sprechen, dass der Figaro nicht ganz falsch liegt. Der Flugzeugbauer teilte am Dienstag seinen Kunden in einem sogenannten Accident Information Telex mit, dass es vorläufig keine neuen Anweisungen für den Betrieb des Airbus-Modells A330 geben werde. "In dieser Phase der vorläufigen Untersuchung des Flugdatenschreibers hat Airbus keine unmittelbaren Empfehlungen an die Betreiber zu geben", heißt es in dem Schreiben, das der SZ vorliegt.

Das Wrack des Flugzeugs war im April bei einer Suchaktion etwa 4000 Meter unter dem Meeresspiegel gefunden worden. Vor wenigen Tagen wurden die beiden "Black Boxes", die tatsächlich rot sind, geborgen. Der Flugdatenschreiber und der Stimmrekorder zeichnen alle wichtigen Informationen während eines Flugs auf. Am Montag teilte die BEA mit, die Daten seien intakt, was erstaunlich ist, denn die Geräte lagen fast zwei Jahre lang in großer Tiefe.

Das Airbus-Schreiben deutet darauf hin, dass bei einer ersten groben Durchsicht der Informationen des Flugdatenschreibers keine offensichtlichen technischen Mängel auftauchten, die an anderen Flugzeugen sofort korrigiert werden müssten. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Maschine vom Typ A330 mit hoher vertikaler Geschwindigkeit auf die Meeresoberfläche prallte und dabei zerschellte.

Die Ermittler stehen vor allem vor folgenden Fragen: Fehlermeldungen, die das Flugzeug automatisch versandte, lassen den Schluss zu, dass die am Rumpf angebrachten so genannten Pitot-Sonden in der Unglücksnacht bei schlechtem Wetter vereisten. Mit Hilfe dieser Geräte werden Informationen über die Geschwindigkeit und die Flughöhe ermittelt. Die betroffene Baureihe der vom französischen Hersteller Thales angefertigten Sonden ist mittlerweile bei keinem Flugzeug mehr im Einsatz.

Air France hatte vor dem Unfall auf Probleme mit den Sonden hingewiesen und kritisiert, weder Airbus noch Thales hätten auf Anfragen schnell genug reagiert. Warum flogen die Piloten in jener Nacht in eine Schlechtwetterzone, der alle anderen Maschinen auswichen? Und weshalb verloren sie die Kontrolle über das Flugzeug? Auch nach dem Ausfall der Geschwindigkeitsmesser hätte die Besatzung in der Lage sein müssen, die Maschine manuell sicher zu steuern. All diese Fragen dürften nun beantwortet und mögliche Schuldige gefunden werden.

Manche Angehörige der Opfer haben Frankreich in der Vergangenheit verdächtigt, man sei gar nicht wirklich an der Aufklärung des Unglücks interessiert. Nun kann das Land dies widerlegen. Jean-Baptiste Audousset, der Präsident einer französischen Opfervereinigung, sagt: "Uns geht es nicht um Rache. ... unser Ziel ist es, die Sicherheit des Luftverkehrs zu verbessern."

© SZ vom 18.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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