Aids-Video mit Hitler:Massenmörder im Bett

Nur geschmacklos? Ein HIV-Aufklärungsvideo mit Hitler, Stalin und Saddam Hussein stößt bei Aids-Verbänden auf herbe Kritik. Gestoppt wird die Kampagne jedoch nicht.

Marten Rolff

Aufmerksamkeit ist alles, wie man sie bekommt zweitrangig. An diesem Uralt-Credo der Werbeindustrie orientierte sich der Saarländische Selbsthilfeverein Regenbogen, als er beschloss, das Thema Aids wieder stärker ins Bewusstsein zu rücken - mithilfe einer Hamburger Agentur und dem Konterfei Adolf Hitlers.

"Aids ist ein Massenmörder" lautet der Slogan der Kampagne, die seit Anfang September im Internet läuft und deren Videospot einen Hitler-Imitator beim Sex mit einer Frau zeigt. Das gewünschte Interesse ließ nicht lange auf sich warten: Vor allem User aus Großbritannien und den USA kritisierten die Kampagne im Netz als schockierend und völlig unangemessen.

Nun hat auch die Deutsche Aids-Hilfe die Werbeaktion "auf das Schärfste" verurteilt und ein sofortiges Ende der Kampagne gefordert.

"Dieser widerliche Spot (...) verhöhnt alle Opfer des Nationalsozialismus und setzt HIV-positive Menschen mit Massenmördern gleich", sagte Aids-Hilfe-Sprecher Carsten Schatz am Dienstag in Berlin. Das Video, von dem es auch Varianten mit den Diktatoren Josef Stalin und Saddam Hussein gibt, setze allein auf Provokation und "dumpfe Angst", enthalte keine Botschaft und schade sogar der HIV-Prävention, da man nicht erfahre, wie man sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützen könne, kritisierte Schatz weiter. Zudem forderte die Aids-Hilfe deutsche Gesundheitspolitiker auf, sich von der Kampagne zu distanzieren.

Beim Saarbrücker Verein Regenbogen reagierte man gelassen auf diese Kritik. "Sehr skurril" finde er die Vorwürfe der Aidshilfe, sagte Vorstand Jan Schwertner der SZ. Schließlich habe man das Virus als Massenmörder bezeichnet, nicht aber die Infizierten; auch könne er keine Verharmlosung nationalsozialistischer Verbechen erkennen, sagte Schwertner weiter - und erhob seinerseits Vorwürfe gegen die Kritiker: Die Kampagnen der Aids-Hilfe hätten sich als nahezu wirkungslos erwiesen und nicht verhindern können, dass es täglich in Deutschland Neuinfektionen gebe. Das Thema Aids sei aber trotzdem "aus den Medien fast verschwunden".

Bislang sieht der Selbsthilfeverein keinen Grund, die Kampagne zu stoppen. Es habe auch viele positive Reaktionen gegeben, erklärte Schwertner; sogar Mütter und Väter hätten angerufen, um sich zu bedanken: "Das erste Mal hat mein Sohn die Dringlichkeit des HIV-Problems verstanden." Was die Zukunft der Kampagne angeht, so müsse man weitere Reaktionen abwarten. Sollte sie den Weg zahlloser früherer Kampagnen gehen, die erfolglos versuchten, mit dem brisanten Thema zu werben, so ist Schwertner nicht verzagt: "Wir haben unser Ziel erreicht, wir sind im Gespräch".

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