Äthiopien:Ins Rutschen geraten

Dutzende Menschen werden auf einer Müllhalde nahe Addis Abeba von einer Lawine aus Unrat verschüttet und sterben.

Von Bernd Dörries, Addis Abeba

Eigentlich hätte es die Katastrophe gar nicht geben dürfen. Vor längerer Zeit sollten die Laster der Stadt aufgehört haben, nach Koshe zu kommen, der größten Müllkippe von Addis Abeba, so erzählen es einige Anwohner. Zu klein war die Anlage mit etwa 50 Hektar geworden, zu groß die Stadt neben ihr, die sich seit Jahren um den Müll herum ausbreitete. Also hatte die Stadtverwaltung beschlossen, Koshe zu schließen. Doch weil die Bauern in der Umgebung von der neuen Müllkippe nicht eben begeistert waren und die Laster mit dem Müll blockierten, fuhren die seit einigen Wochen offenbar wieder an den alten Platz und schichteten den Müll dort zu einem riesigen Haufen, der am Sonntagmorgen ins Rutschen geriet.

Mindestens 46 Menschen wurden nach Behördenangaben unter dem Müll begraben und starben, meist Frauen und Kinder. Manche lebten auf der Kippe mit und vom Weggeworfenen, durchsuchten die Reste der immer größer werdenden Stadt.

Manche lebten aber auch einfach dort, weil sie sich die Mieten in Addis Abeba nicht mehr leisten konnten. In Koshe nämlich ließ sich mit nur wenig Geld und etwas Geschick eine kleine Unterkunft bauen - über sie rollte die Mülllawine nun hinweg. Einige Opfer konnten lebend geborgen werden, sagte Diriba Kuma, der Bürgermeister von Addis Abeba. Die überlebenden Bewohner der Müllkippe sollen jetzt umgesiedelt werden.

Eigentlich sollten die Müllberge von Koshe sogar bald kleiner werden. Seit dem Jahr 2013 wird an einer riesigen Anlage gebaut, die den Müll in Energie verwandeln und 50 Megawatt produzieren soll, ein Drittel des Stromverbrauches der Hauptstadt mit vier Millionen Einwohnern. Bereits fertig ist die neue Müllverwertung: In der Nähe von Addis hat eine französische Firma eine neue Müllkippe angelegt, umzäunt, mit asphaltierten Straßen, Waagen und modernen Recycling-Anlagen ausgestattet.

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