Ägyptisches TV-Experiment:Belästigt werden wie eine Frau

Ungewöhnliches TV-Experiment: Um auf die sexuellen Belästigungen aufmerksam zu machen, denen Frauen in Ägypten ausgesetzt sind, hat sich ein Schauspieler als Frau verkleidet und die Reaktionen der Männer auf offener Straße in Kairo getestet. Sein Fazit ist schockierend.

Merle Sievers

4000 ägyptische Pfund bietet der Mann auf der Straße ihm für eine Nacht, das sind fast 450 Euro. Und das, obwohl er ein Kopftuch trägt. Waleed Hammad ist verstört und dreht sich weg. "Angebote" wie dieses erhalten Frauen in Ägypten jeden Tag.

Waleed Hammad ist Schauspieler und einer der Protagonisten eines TV-Experiments. Für die ägyptische Fernsehshow Awal Al Kheit hat sich der 24-Jährige als Frau verkleidet und ist anschließend durch die Straßen Kairos gelaufen. Eine versteckte Kamera filmte die Reaktionen der Männer.

Es dauert nicht lange, bis die ersten Männer ihn anstarren, angrapschen und ihm auf offener Straße Geld für Sex bieten. Für Hammad wird das Experiment zum Spießroutenlauf. Hinterher sagt er: "Als Frau auf offener Straße hatte ich die ganze Zeit Angst und stand unter Druck. Ich kann mir nicht vorstellen, jeden Tag so zu leben."

Diese Erkenntnis soll ägyptische Männer zum Nachdenken anregen. Die Reporterin des TV-Senders OnTV Lena El Ghadban sagt der Nachrichtenagentur AP: "Wir wollen, dass die Männer selbst spüren, was es heißt, Opfer von sexueller Belästigung zu sein. Vielleicht fragen sie sich dann eher: 'Was mache ich hier eigentlich?' "

Mit der Revolution in Ägypten haben die Menschen mehr Freiheiten bekommen. Seitdem nehmen aber auch die sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Öffentlichkeit zu. Eine UN-Studie belegt, dass 99,3 Prozent aller Ägypterinnen bereits Opfer von sexuellen Belästigungen geworden sind. Mehr als 96 Prozent davon sind schon mal körperlich und mehr als 95 Prozent verbal bedrängt worden.

2011 wurde auch die Reporterin Lara Logan Opfer eines sexuellen Übergriffs, als sie für den US-Fernsehsender CBS vom Tahrir-Platz über die Aufstände berichtete.

Inzwischen haben sich mehrere private Initiativen gegründet, deren Mitglieder sich unter die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz mischen, um Frauen vor sexuellen Übergriffen in der Menge zu schützen. Diese Aktivistengruppen, wie zum Beispiel "Imprint Movement", sind privat organisiert und patroullieren vor allen Dingen bei Großveranstaltungen. Im Alltag sind die Frauen auf der Straße oft alleine und ohne Schutz.

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