Ägypten:"Ich werde ignoriert"

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Die Moderatorin Khadija Khattab vor einem Jahr (li.) und nach der von ihrem Arbeitgeber verordneten Diät. (Foto: Privat)

Khadija Khattab begann abzunehmen, als ihr Fernsehsender übergewichtigen Moderatorinnen eine Diät verordnete. Jetzt verklagt sie ihren Arbeitgeber trotzdem.

Von Karin El Minawi, Kairo

Die Nachricht war so aufsehenerregend, dass sie um die ganze Welt ging. Und das setzt Khadija Khattab noch heute zu. Die Mittfünfzigerin aus Kairo fühlt sich diskriminiert, und sie will nun endlich ihren Arbeitgeber verklagen, der sie so bloßgestellt hat. "Ägyptisches Staatsfernsehen verdonnert acht Moderatorinnen zu Zwangsdiät" - so oder so ähnlich lauteten Mitte August die Schlagzeilen. Einen Monat Zeit bekamen die Frauen, zu denen auch Khattab gehörte, um ihr Gewicht zu reduzieren und "an ihrem Erscheinungsbild zu arbeiten". Ihre Sendungen wurden aus dem Programm genommen.

Schon damals war Khadija Khattab empört, aber heute ist sie es noch mehr. Denn die verheiratete Mutter dreier erwachsener Kinder, hatte sich trotz inneren Protests auf Diät gesetzt. Geholfen hat ihr das nicht: Die Monatsfrist ist längst abgelaufen, und Khattab wiegt inzwischen tatsächlich einige Kilogramm weniger als Mitte August. Aber moderieren darf sie noch immer nicht. Die zuständige Kommission, die darüber entscheiden soll, ob die Frauen ausreichend abgenommen und an ihrem Erscheinungsbild gearbeitet haben, hat bis heute kein Urteil gefällt. Seit drei Wochen werden die Moderatorinnen nun schon hingehalten, bekommen auf ihre Anfragen keine Reaktion. Deshalb hat sich Khadija Khattab jetzt entschieden, vor Gericht zu ziehen. Wegen Rufmord, Diffamierung und Diskriminierung möchte sie die Verantwortlichen des ägyptischen Staatsfernsehens auf der Anklagebank sitzen sehen.

"Es ist erniedrigend", sagt Khattab, die bis zu ihrer Zwangspause ein wöchentliches Kulturprogramm auf Channel 2 moderiert hat. Ihre Stimme klingt dabei enttäuscht, aber auch wütend: "Wir werden nicht nach unseren Leistungen oder den Inhalten unserer Sendungen bewertet, sondern nach unserem Aussehen! Das ist unprofessionell." Trotz ihrer Vorbehalte habe sie sich dem Vorgehen des Senders gefügt. "Und nun werden wir nach all den Wochen einfach nicht beachtet", so Khattab.

Seit mehr als 30 Jahren arbeite sie nun schon für das staatliche Fernsehen, doch nie zuvor sei sie so beleidigt worden. Die Entscheidung der Chefetage habe sie über die Medien erfahren, als in Talkshows darüber debattiert und Bilder von ihr und ihren Kolleginnen gezeigt wurden. Offiziell sei sie über die Zwangsdiät jedoch nie informiert worden. Khattab glaubt, dass ihr Platz für andere, jüngere Kandidatinnen frei geräumt werden soll. "Aber doch nicht so", sagt sie empört. Ungerecht sei zudem, dass es nicht alle Kollegen träfe, die übergewichtig sind, sondern nur einige. Und auch nur Frauen.

Das sei Diskriminierung, sagt auch Khattabs Anwalt Reda el-Danbuki. Es sei auch nicht verfassungskonform, einen Mitarbeiter nicht nach seinen Kompetenzen, sondern nach seinem Aussehen zu bewerten. Noch dazu bekämen Khattab und die anderen Frauen nicht mehr ihr gesamtes Gehalt, seit sie auf Diät gesetzt wurden. "Das ist unakzeptabel", sagt Danbuki. "Deshalb müssen jetzt die Richter entscheiden."

Die Klage dürfte dem ohnehin schon angeschlagenen Image des Staatsfernsehens weiter schaden. In Ägypten wird das staatliche Fernsehen seit jeher von den Mächtigen kontrolliert: Es fungiert als ihr Sprachrohr. Das war schon zu Zeiten von Präsident Hosni Mubarak so, und das ist es auch heute noch. Doch seit Mubaraks Rücktritt im Jahr 2011 steckt das Fernsehen in einer Krise. Damals geriet es in die Kritik, da es während der Revolution die Massenproteste auf dem Tahrir-Platz verschwieg und stattdessen Archivbilder zeigte, auf denen der Platz fast leer war. Das Staatsfernsehen verlor an Glaubwürdigkeit, kämpft seitdem mit niedrigen Einschaltquoten. Durch die anspruchslosen, langweiligen Programme und die vielen Moderatoren, die noch stets Stimme der Machthaber sind, sinken die Quoten weiter.

Das sollte sich ändern. Die im April neu eingesetzte Chefin der Rundfunkgesellschaft, Safaa Hegazy, wollte den Laden umkrempeln, moderner und wettbewerbsfähiger machen. Sie kündigte Reformen an. Die bisher aufsehenerregendste war allerdings der Zwang zur Diät. Der Regionaldirektor des Fernsehens, Hani Dschaafar, unterstützte die Entscheidung, da, wie er sagte, rund 90 Prozent der männlichen und weiblichen Moderatoren übergewichtig seien. Warum dann nur acht Frauen suspendiert wurden, erklärte er nicht. "Das ist ungerecht, sagt Khadija Khattab. "Außerdem werden die Veränderungen, die ich durchgemacht habe, nicht gewürdigt. Ich werde ignoriert."

© SZ vom 10.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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