Ägypten:Briten wollen Touristen aus Scharm el-Scheich ausfliegen

  • London hat sämtliche Flüge von dem ägyptischen Urlaubsort Scharm el-Scheich nach Großbritannien ausgesetzt. Die Niederlande ziehen nach.
  • Neue Informationen weisen darauf hin, dass eine Bombe das russische Passagierflugzeug über dem Sinai zum Absturz gebracht haben könnte.
  • Britische Experten ermitteln in Ägypten.

Von Paul-Anton Krüger, Scharm el-Scheich

Die Regierung in London hat alle Abflüge britischer Flugzeuge aus Scharm el-Scheich aus Sorge vor Anschlägen vorerst gestoppt und später auch alle Flüge in den ägyptischen Badeort am Roten Meer storniert. Die Entscheidung erging nach einer Krisensitzung des Sicherheitskabinetts in London. Zuvor hatten britische Experten die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen in Scharm el-Scheich überprüft.

Inzwischen plant Großbritannien Notmaßnahmen, um Touristen aus den ägyptischen Urlaubsorten auszufliegen. Nach Angaben von Außenminister Philip Hammond halten sich dort bis zu 20 000 britische Touristen auf. Hammond sagte im Fernsehsender Sky News, die Regierung und die ägyptischen Behörden würden an entsprechenden Plänen arbeiten.

Auch niederländische Fluggesellschaften fliegen die Urlaubsregion nicht mehr an - zunächst bis Sonntag. Das niederländische Außenministerium riet bis auf Weiteres von Flugreisen nach Scharm el-Scheich ab.

Am Samstag war eine russische Passagiermaschine mit 224 Personen an Bord abgestürzt, die Untersuchung der Ursache dauert noch an. Allerdings seien, wie es in einer Mitteilung aus dem Büro des britischen Premierministers David Cameron hieß, mittlerweile "mehr Informationen ans Licht gelangt", weshalb "unsere Sorge gewachsen ist, dass das Flugzeug durch einen Sprengsatz zum Absturz gebracht worden sein könnte".

Britain halts Egypt flights amid concerns bomb caused Sinai crash

Die Na'ama Bay im ägyptischen Scharm el-Scheich

(Foto: dpa)

IS will für den Absturz verantwortlich sein

Die Regierung in London betonte zunächst, der Stopp der Flüge sei lediglich eine Vorsichtsmaßnahme; man sei sich bewusst, dass dies Sorge bei Urlaubern in Scharm el-Scheich auslösen könne. Das Konsularpersonal werde verstärkt. Am späten Abend sagte Hammond jedoch, seine Regierung rate vorerst davon ab, nicht unbedingt notwendige Flüge nach Scharm el-Scheich anzutreten. Die Sicherheitseinschätzung für den Badeort selbst ändere sich jedoch nicht.

Wie deutsche Reiseveranstalter oder Fluggesellschaften reagieren, war zunächst nicht klar. Am Mittwochabend meldete CNN unter Berufung auf Quellen in der US-Regierung, die US-Geheimdienste hielten inzwischen eine von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) oder mit ihr verbundenen Gruppen platzierte Bombe für die wahrscheinlichste Absturzursache. Diese Einschätzung sei aber noch nicht endgültig.

Am Mittag hatte der ägyptische Ableger des IS eine neue Audiobotschaft veröffentlicht. Darin bekräftigt die "Provinz Sinai", für den Absturz verantwortlich zu sein. Sie sei nicht verpflichtet mitzuteilen, wie dieser herbeigeführt worden sei, und sie werde entsprechende Informationen "zu einem Zeitpunkt und auf Wegen unserer Wahl" bekannt geben.

Hitzeblitz in der Absturzregion

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte am Dienstag der BBC gesagt, wenn "Propaganda" verbreitet werde, dass der Absturz auf den IS zurückgehe, sei dies "eine Art, die Stabilität und Sicherheit Ägyptens und seinen Ruf zu beschädigen".

Experten hatten Zweifel an der Bekenner-Erklärung des IS vom Samstag geäußert. Diese war zwar über Kanäle verbreitet worden, die zuvor schon von der Gruppe genutzt wurden. Sie enthielt aber keine Information, die nicht öffentlich wäre - und damit Hinweis auf eine Täterschaft des IS. Eine technische Ursache ist weiter nicht ausgeschlossen.

Auswertung des Flugdatenschreibers hat begonnen

Ein US-Satellit zur Erfassung von Raketenstarts hatte laut Regierungsbeamten einen Hitzeblitz in der Absturzregion aufgefangen. Dieser könne aber sowohl durch eine Bombe, einen Triebwerksbrand, die Explosion eines Tanks oder auch durch militärische Aktivitäten am Boden ausgelöst worden sein. Es ist kaum vorstellbar, dass die britische Regierung ohne konkrete Verdachtsmomente solche Maßnahmen ergreift, zumal Ägyptens Präsident Sisi sich derzeit zu einem Besuch in London aufhält. Er soll an diesem Donnerstag Cameron treffen, der am Abend eine Krisensitzung des Sicherheitskabinetts anberaumt hatte.

In Kairo begannen Experten aus Ägypten, Russland, Irland sowie des Flugzeugherstellers Airbus mit der Auswertung des Flugdatenschreibers und des Stimmrekorders aus dem Cockpit. Dies könnte bis zu einem Monat dauern, teilte das Luftfahrtministerium mit.

Der Stimmenrekorder sei beschädigt und die Daten schwierig auszulesen. Verschiedene Medien hatten unter Berufung auf Mitglieder der Untersuchungskommission über angebliche Inhalte der Aufzeichnungen berichtet. Die Regierung in Kairo hat bislang nicht umfassend über den Stand der Ermittlungen informiert und will erst zum Abschluss der Untersuchung deren Ergebnis bekannt geben.

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