Absturz der Germanwings-Maschine 4U9525:Hinterbliebene prüfen US-Klage

Germanwings A320 agestürzt - Opferanwalt Giemulla

Anwalt und Luftfahrtexperte Elmar Giemulla vertritt Angehörige der Absturzopfer des Germanwings-Fluges 4U9592. Er lässt momentan eine Klage via US-Gerichten prüfen.

(Foto: dpa)
  • Elmar Giemulla, Anwalt und Vertreter von Angehörigen der Opfer des Germanwings- Flugzeugabsturzes, äußert sich in der Bild am Sonntag zu einer möglichen Klage vor US-Gerichten.
  • Opferanwalt Giemulla habe Kollegen aus den USA gebeten,Schadenersatzforderungen der deutschen Hinterbliebenen per Klage in den USA geltend zu machen.
  • Im Gegensatz zu Deutschland akzeptieren Gerichte in den USA auch Ansprüche auf emotionalen Schadenersatz - die Summen sind um ein Vielfaches höher.
  • Bundesverkehrsminister Dobrindt sprach sich indes gegen ein Berufsverbot für depressive Piloten aus.

Hinterbliebenen-Anwalt lässt Klage in den USA prüfen

Angehörige der Opfer des Germanwings-Absturzes lassen Medienberichten zufolge eine Schadenersatzklage vor US-Gerichten prüfen. "Wir haben Gespräche mit den Anwälten der amerikanischen Hinterbliebenen geführt", sagte der Vertreter deutscher Angehöriger der Opfer, Elmar Giemulla, der Bild am Sonntag. "Die amerikanischen Kollegen werden für uns einen Antrag stellen. Dann entscheidet ein US-Richter, ob auch die deutschen Hinterbliebenen ihre Forderungen in den Vereinigten Staaten geltend machen dürfen."

Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa erneuerte Giemulla seine Absichten. Nach eigenen Angaben vertritt Giemulla mehr als 20 Hinterbliebenen-Familien. Er sagte, sein Ziel sei es, für die Angehörigen auch einen "emotionalen Schadenersatz" zu erstreiten. Falls die Lufthansa sich hier nicht kompromissbereit zeige, seien seine Mandanten deshalb gezwungen, "sich unter den Schutz einer fremden Rechtsordnung zu stellen". Die US-Justiz werde sich ohnehin mit dem Absturz befassen, da es auch US-amerikanische Opfer geben, sagte Giemulla. Nach der amerikanischen Rechtstradition sei es in solchen Fällen möglich, auch die Fälle von Bürgern anderer Nationalitäten zu verhandeln - besonders dann, wenn die Abweichungen in der Rechtsordnung groß seien. Ob dies geschehe, liege allerdings im Ermessen des Richters.

In der Regel überschreiten von US-Gerichten festgelegten Schadenersatzsummen die von deutschen Gerichten deutlich. Nach Darstellung der BamS verurteilten US-Gerichte in ähnlich gelagerten Fällen Airlines zur Zahlung von durchschnittlich 4,5 Millionen Euro. Das Blatt berichtete weiter ohne Angaben von Quellen, in der kommenden Woche solle es erste Gespräche über eine außergerichtliche Einigung geben. Anwalt Giemulla erklärte: "In der Vergangenheit haben Airlines deutschen Angehörigen so zwischen 100.000 und 1,5 Millionen Euro zugesprochen."

Opferanwälte sehen Lufthansa in der Pflicht

Rückendeckung erhält Opferanwalt Giemulla von einem Kollegen. "Die Opferfamilien brauchen sehr viel Geld, um ihr weiteres Leben zu gestalten ohne den Menschen, der verloren gegangen ist", betonte Opferanwalt Christof Wellens im Fernsehsender Phoenix. "Für die Angehörigen ist eine angemessene, ja hohe Entschädigung sehr wichtig. Sie ist eine Stütze für die Familie im Alltag." Im Fall einer Familie, die er vertrete, hätten fünf Kinder die Eltern verloren. Die Schuldfrage ist nach seiner Ansicht ohnehin "eindeutig geklärt". Bei einem vorsätzlichen Absturz, herbeigeführt durch den Copiloten, sei die Sachlage klar. "Lufthansa ist für von ihr eingesetztes Personal in voller Weise verantwortlich", sagte Wellens, der nach eigenen Angaben 15 Opfer-Familien mit mehr als 60 Angehörigen zivilrechtlich vertritt. Er habe bislang kein Wort vernommen, dass man dies aufseiten von Lufthansa anders sehe. Im Gegenteil: Die Airline habe sich zu ihrer Verantwortung bekannt. Man werde nun sehen müssen, ob sie Wort halte. Etwaige Versäumnisse, etwa beim Umgang mit der Erkrankung des Copiloten, spielten allenfalls noch am Rande eine Rolle, so Wellens.

Jede Opferfamilie hat 50.000 Euro Soforthilfe von der Lufthansa erhalten

Nach bisherigen Ermittlungen hat der Copilot Andreas L. den Airbus der Lufthansa-Tochter Germanwings am 24. März in den französischen Alpen absichtlich abstürzen lassen. Alle 150 Insassen der Maschine wurden dabei getötet. L. litt an Depressionen und unterbrach deswegen 2009 seine Pilotenausbildung. Im selben Jahr informierte er die Fliegerschule der Lufthansa über eine "abgeklungene schwere Depression".

Lufthansa hat bislang an 111 Familien von Passagieren der Unglücksmaschine eine Soforthilfe von 50.000 Euro gezahlt. "Sobald der Anspruch für uns nachvollziehbar ist, zahlen wir", sagte Lufthansa-Sprecher Helmut Tolksdorf dem Blatt. Nach dem Bericht haben 33 Familien noch keine finanziellen Hilfen erhalten.

Dobrindt gegen Berufsverbot für depressive Piloten

Unterdessen sprach sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gegen ein Berufsverbot für depressive Piloten aus. "Ein höheres Risiko wäre es doch, wenn Anreize gesetzt werden, Depressionen zu verheimlichen", sagte er dem Tagesspiegel. Depressionen seien "heute eine weit verbreitete Krankheit, die in den meisten Fällen gut heilbar ist. Deshalb sollten wir Betroffene ermutigen, sich dem Arzt gegenüber zu öffnen". Auch die ärztliche Schweigepflicht auszusetzen hält Dobrindt für keine gute Idee.

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