A380 nach Triebwerksbrand notgelandet:Kratzer am Supervogel

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"Da waren Flammen, gelbe Flammen": Erstmals muss ein Airbus "A380" wegen eines Triebwerkproblems notlanden - der Imageschaden für den Hersteller ist immens.

Jens Flottau

In der Fachsprache nennt sich so ein Vorfall "Uncontained Engine Failure". Im Inneren des Triebwerks lösen sich Teile wie etwa Schaufeln und dringen mit ungeheurer Wucht durch die Verkleidung des Motors nach außen. Auf keinen Fall soll so etwas vorkommen, weil dadurch das Flugzeug selbst beschädigt und in Gefahr gebracht werden kann. Und doch ist es am Donnerstagmorgen in Singapur passiert, ausgerechnet bei einem Airbus A380.

"Da waren Flammen, gelbe Flammen": Passagiere der A380 berichten von einem lauten Knall kurz nach dem Start in Singapur. Auf die Insel Batam regneten Teile des Superjets hernieder. (Foto: dpa)

Die Maschine der australischen Fluggesellschaft Qantas war gerade mit 433 Passagieren und 26 Besatzungsmitgliedern an Bord von Singapur in Richtung Sydney gestartet, als sich das linke innere Triebwerk vom Typ Rolls-Royce Trent 900 offenbar zerlegte. Passagiere berichten, sie haben einen lauten Knall gehört, dazu wollen sie gesehen haben, wie kleine Trümmer, Rauch und Feuer aus dem Motor herauskamen. "Da waren Flammen, gelbe Flammen", berichtete eine Reisende. Augenzeugen am Boden haben einen langen Rauchschweif gesehen. Die Art der Schäden schließt einen Zusammenhang mit dem Ausbruch des 1200 Kilometer entfernten Vulkans Merapi aus.

Die Crew kehrte mit der A380, nachdem sie Treibstoff abgelassen hatte, zum Flughafen Singapur zurück. Der Flug dauerte eine Stunde und 50 Minuten. Am Boden empfing die Flughafenfeuerwehr die Maschine. Es dauerte lange, bis die Passagiere das Flugzeug endlich verlassen durften, doch erst musste feststehen, dass draußen keine Gefahr mehr drohte. Niemand wurde verletzt. Qantas entschied dennoch sofort, alle übrigen fünf A380 vorerst nicht mehr fliegen zu lassen.

Erste Bilder erhärteten den Verdacht, dass vermutlich geschehen war, was nicht geschehen durfte. Teile der Triebwerksverkleidung fehlen, es sind auch von außen Spuren von Rauch und Feuer zu sehen. Ein Passagier mit Fensterplatz neben der linken Tragfläche hat ein Foto gemacht, das zeigt, wie von unten Teile den Flügel durchbohrt haben. Und auf der indonesischen Insel Batam, nur 20Kilometer entfernt vom Flughafen Singapur, fanden Anwohner die rot-weiß lackierten Metallteile, die am Flugzeug fehlen.

Wie gefährlich die Situation für die Insassen des Flugzeuges wirklich war, ist derzeit noch schwer absehbar. Dass eines von vier Triebwerken ausfällt, ist für sich genommen noch kein schwerwiegendes Problem. Vor allem aber müssen genaue Untersuchungen nun ergeben, inwieweit womöglich Hydraulikleitungen in den Tragflächen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Bereits unmittelbar nach der Landung gab es erste Indizien dafür, dass Systeme über das Triebwerk hinaus beschädigt worden sein könnten. Airbus verwies auf die laufenden Untersuchungen.

Die Triebwerksexplosion ist der bislang schwerwiegendste Zwischenfall in den drei Jahren, seit das größte Flugzeug der Welt erstmals an eine Fluggesellschaft ausgeliefert wurde. Doch die Einführung der A380 in den Routinebetrieb ist auch sonst alles andere als glatt verlaufen. Qantas selbst musste die Flotte schon einmal, im März 2009, kurzfristig wegen Problemen mit dem Treibstoffsystem am Boden abstellen. Emirates beklagte sich im Februar 2009 intern bitter bei Airbus über zahlreiche kleinere Pannen, die zusammengenommen aber den Flugbetrieb gehörig durcheinanderbrachten. Eine der Maschinen stand mehrere Tage lang am Flughafen von Dubai, anstatt durch die Welt zu fliegen.

Unglück mit Airbus A380
:Flammen am linken Flügel

Für die Passagiere waren es furchterregende Momente. Kurz nach dem Start in Singapur gab es an Bord von Qantas Flug 32 einen lauten Knall. Ein Triebwerk war explodiert, die Maschine musste notlanden. Von den 459 Insassen an Bord wurde niemand verletzt.

Von den fünf Fluggesellschaften, die die A380 mittlerweile einsetzen, haben neben Qantas auch Lufthansa und Singapore Airlines die Rolls-Royce Trent 900-Motoren gewählt. Air France und Emirates setzen Fabrikate der Engine Alliance ein. Singapore Airlines gab am Mittag bekannt, für den weiteren Tagesverlauf geplante A380-Abflüge hinauszuzögern, um genügend Zeit für Überprüfungen zu haben. Lufthansa wollte wenigstens am Nachmittag trotz des Vorfalls ihre A380-Flüge fortsetzen. Am frühen Nachmittag landeten die beiden Flüge aus Peking und Tokio in Frankfurt. Der für 13.30 Uhr vorgesehene Flug nach Tokio startete planmäßig. Für den Abend war ein weiterer A380-Start nach Johannesburg (22.40 Uhr) vorgesehen.

Unglück mit Airbus A380
:Flammen am linken Flügel

Für die Passagiere waren es furchterregende Momente. Kurz nach dem Start in Singapur gab es an Bord von Qantas Flug 32 einen lauten Knall. Ein Triebwerk war explodiert, die Maschine musste notlanden. Von den 459 Insassen an Bord wurde niemand verletzt.

Das Trent 900-Triebwerk hatte bereits zuvor die Aufmerksamkeit der europäischen Flugsicherheitsagentur EASA auf sich gezogen. Die Kölner Behörde veröffentlichte im August 2010 eine sogenannte Lufttüchtigkeitsdirektive, in der sie genaue Untersuchungen der Motoren anordnete. Die EASA wies darauf hin, dass sich bestimmte Teile im Inneren der Turbine schneller abnutzen könnten als im Handbuch von Rolls-Royce vorhergesagt. In diesem Fall könnten sich die Teile lösen.

Weil sich das Triebwerk vor allem beim Start nahe an der Volllast dreht, können lose Teile den Motor schnell im Inneren zerstören. Dies kommt zwar äußerst selten vor, die meisten Motoren fliegen viele Jahre ohne Fehler. Für den Fall, dass es aber doch passiert, müssen die Hersteller in den Zulassungstests nachweisen, dass keine Trümmer nach außen dringen. Rolls-Royce wird auf jeden Fall nacharbeiten müssen, obwohl noch unklar ist, ob wirklich die von der EASA beanstandeten Komponenten für den Schaden ursächlich waren. Auch Qantas wird nachweisen müssen, dass sie die vorgeschriebenen Untersuchungen rechtzeitig durchgeführt hat. Bislang hat die Fluggesellschaft eine nahezu perfekte Sicherheitsbilanz: Noch nie ist ein Qantas-Passagier bei einem Unfall ums Leben gekommen, alle Pannen sind bislang glimpflich abgelaufen.

Vor allem für Rolls-Royce kommt es derzeit knüppeldick. Erst vor wenigen Wochen explodierte ein für den neuen Langstreckenjet Boeing787 vorgesehener Motor der Baureihe Trent 1000 auf einem Teststand in Derby in England. Der Zwischenfall könnte dazu beitragen, dass sich die erste Auslieferung des bereits um fast drei Jahre verspäteten Dreamliners weiter verzögert. Am Donnerstag sank der Aktienkurs von Rolls-Royce um mehr als vier Prozent.

Aktienkurs von Rolls-Royce fällt

An Airbus bleibt wohl vor allem der Imageschaden kleben, auch wenn der Hersteller für die Qantas-Notlandung wohl nicht verantwortlich gemacht werden kann. Aber schon zuvor hatten die Produktionsprobleme bei der A380, die ebenfalls gut zwei Jahre verspätet den Liniendienst aufgenommen hatte, das Bild des Konzerns als Hightech-Vorbild beschädigt. Die damaligen Probleme - der komplexe Innenausbau - sind zwar mittlerweile im Grundsatz behoben. Doch immer noch braucht Airbus weit länger als erhofft, um die einzelnen Flugzeuge fertigzustellen. Im laufenden Jahr will der Hersteller 20 A380 ausliefern, weniger als halb so viele, wie angedacht.

Dabei ist das Flugzeug aus Sicht der Fluggesellschaften ein kommerzieller Erfolg. Alle fünf Airlines berichten, dass die Auslastung auf der A380 höher ist als bei anderen Maschinen. Die Unternehmen können oft auch höhere Preise für die Sitze an Bord der A380 verlangen, weil die Nachfrage so stark ist. Bislang hat Airbus 37 Maschinen ausgeliefert. Insgesamt sieben Millionen Passagiere sind bislang mit der Maschine geflogen. Derzeit bedient die A380 20 Flughäfen weltweit. In Europa sieht man die Maschine regelmäßig in Paris, London, Frankfurt und Zürich.

© SZ vom 05.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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