Vernehmung von Oberpate Hanebuth auf Mallorca:Der Rocker, den alle kennen

Frank Hanebuth Hells Angels arrests in Mallorca

Chefrocker Frank Hanebuth vor Gericht in Palma de Mallorca

(Foto: Montserrat T. Diez/dpa)

Über die Geschäfte der Hells Angels auf Mallorca kursieren die wildesten Gerüchte. Zur Geldwäsche soll sogar eine Formel-1-Strecke geplant gewesen sein. Bei der Vernehmung von Oberpate Frank Hanebuth wirft der Richter ihm unter anderem Drogenhandel und Zuhälterei vor. Doch der Hüne schweigt.

Von Hans Leyendecker

Kurz nach zehn Uhr fährt am Donnerstagmorgen vor dem Gericht in Palma auf Mallorca ein Gefangentransporter vor. Schwerbewaffnete Polizisten haben den Wagen eskortiert. Frank Hanebuth, 49, steigt aus, der für einige Sicherheitsfachleute in Deutschland das Gesicht des gemeingefährlichen Rockertums ist. Eine fast mythologische Figur, die immer wieder die Einbildungskraft von Politikern und Medienleuten auf sich zieht. Ein Hüne: 1,98 Meter, 140 Kilogramm. In Handschellen läuft Hanebuth an den wartenden Reportern vorbei.

Vernommen wird er von einem Strafrichter, der Spezialist für den weiten Bereich der Organisierten Kriminalität ist. Zwei Anwälte hat Hanebuth an seiner Seite. Der eine ist Klaus-Peter Beyer, der seit 1999 in Palma arbeitet und den Fall koordinieren soll. Der andere ist ein spanischer Strafverteidiger, in dessen Kanzlei ehemalige Richter und Staatsanwälte arbeiten.

Hanebuths Auftritt vor dem Richter dauert nur etwa eine Viertelstunde. Der Richter zählt die Vorwürfe gegen den Deutschen auf. Ein Auszug: Geldwäsche, Drogenhandel, Zuhälterei und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, die im Wesentlichen aus Hells Angels bestehen soll. Ob er dazu etwas sagen wolle, fragt der Richter. Wenn einer in Deutschland (was vorkommt), sagt, die Hells Angels seien eine kriminelle Vereinigung, antwortet Hanebuth gewöhnlich knapp: "Fuck you." In Palma schweigt er. Die Vorwürfe seien zu pauschal. Der Beschuldigte könne sich dazu nicht äußern, sagt einer der Anwälte.

Der Richter erläutert die Beschuldigungen nicht im Detail. Top Secret. Noch. Ob Hanebuth Mitglied eines Motorradvereins auf Mallorca sei, fragt er. Diesmal antwortet Hanebuth: Er sei "Präsident". Mehr sagt er nicht. Dann wird er wieder in seine Zelle in der Justizvollzugsanstalt Palma zurückgebracht. Über eine mögliche Freilassung Hanebuths gegen Kaution wurde am Nachmittag noch nicht entschieden. Das hat ihn sicherlich nicht überrascht. Hanebuth habe aber Vertrauen in die spanische Justiz, lässt der Anwalt ausrichten.

Aktion "Casablanca"

Am Dienstagmorgen hatten spanische Sondereinheiten, unterstützt auch von deutschen Beamten, etliche Wohnungen und Lokale auf Mallorca durchsucht und mehr als 20 Hells Angels festgenommen, die meisten von ihnen Deutsche. Den Rocker, den alle kennen, ist Hanebuth.

Die Razzia und die Festnahmen waren vom Nationalen Gerichtshof in Madrid koordiniert und angeordnet worden, der für die Bekämpfung der Bandenkriminalität und der Organisierten Kriminalität zuständig ist. Der spanische Innenminister sprach von einem "harten Schlag" gegen die Rockerbande Hells Angels. Die Aktion hatte den Namen "Casablanca".

So heißt ein Lokal, in dem die Rocker auf der Insel häufig verkehren, aber Casablanca das ist auch der Name eines berühmten Films mit Humphrey Bogart, in dem der schöne Satz fällt: "Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen."

Was Hanebuth und die anderen auf Mallorca so trieben und welche Geschäfte sie vereinbarten, ist derzeit nicht klar, weil selbst der Haftrichter nichts Genaues sagt. Normalerweise geht es in diesem Milieu um das Geschäft mit der Prostitution, um Menschenhandel, und wer im jeweiligen Rotlichtviertel das Sagen hat.

Straffe Menschenführung

Diesmal wabern andere Gerüchte, wie die Geschichte, eine Internationale der Rocker - mit den Deutschen vorneweg - habe angeblich zum Zweck der Geldwäsche eine Formel-1- Strecke auf Mallorca bauen wollen. Das klingt kompliziert. "Da fasst man sich doch an den Kopf", sagt der Anwalt Götz-Werner von Fromberg, der Hanebuth treu beisteht. "Rocker sollen Hunderte von Millionen Euro haben? Unsinn." "Rocker und Ecclestone? Quatsch."

Fest steht, dass Hanebuth, der frühere Präsident des aufgelösten Hells Angels Charters Hannover, bis heute als einflussreichster deutscher Rocker gilt. Und dieser Mann, der sehr durchsetzungsfähig ist und straffe Menschenführung pflegt, hält sich neuerdings häufig auf Mallorca auf.

"Thrombose-Paul" und "Mallorca-Thorsten"

Er wolle seinen Freund "Thrombose-Paul" besuchen, dem gehe es nicht gut, sagte er manchmal, wenn er sich wieder auf die Reise machte. "Thrombose-Paul" ist eine frühere Größe in der Frankfurter Rotlichtszene, den es wegen der Thrombose ins warme Mallorca zog. Auch "Mallorca-Thorsten" ist auch oft da, oder "Kirsche", der sehr schlagfest sein soll.

Mallorca ist nicht nur die Lieblingsinsel von jährlich gut drei Millionen deutschen Urlaubern, sondern auch die Lieblingsinsel der deutschen Rocker geworden. Davon erfuhr die Welt spätestens, als es vor einigen Jahren in der Nähe der Strandbar "Ballermann 6" zu einer heftigen Schlägerei von verfeindeten Rockern der Hells Angels und Gremium kam. Die meisten der 19 Festgenommenen waren Deutsche.

"Gewalt gehört zum Leben wie Sex"

Vor zwei Jahren stellte sich ein Hells Angel im Konsulat in Palma. Er hatte 2009 in Kaiserslautern den Präsidenten einer verfeindeten Rocker-Gruppe erstochen und war dann nach Mallorca geflohen.

Beim sogenannten Rockerkrieg hat die Politik lange zugeschaut, als handele es sich um ein Naturereignis. Seit ein paar Jahren werden überall Klubs verboten. Einige Rocker weichen dem Druck aus und gehen auf die Insel - aber hat sich in der Heimat wirklich etwas geändert? Insbesondere in Berlin haben die Klubs der Rocker und die ihrer "Supporter" Zulauf. Je mehr Unterstützer, desto mehr Einfluss. Die Szene steht unter Druck, aber sie rüstet auch auf.

Für die wechselhaften Zeiten steht auch der angebliche Oberpate Hanebuth. Vor Jahren hat er einen Waffenstillstand mit der Rockervereinigung Bandidos verabredet, der dann doch nicht eingehalten wurde. Der Friedensschluss sei "nur eine aktische Maßnahme gewesen, sagte der BKA-Abteilungsleiter Peter Henzler. "Nein, wir haben es ernst gemeint", behauptete Hanebuth. Er sagt manchmal Dinge, die widersprüchlich klingen, wie: "Gewalt gehört zum Leben wie Sex."

Weil der robuste Kampfsportler Hanebuth einst einen Hells Angels, der ihn provoziert haben soll, halb tot schlug, hat er ein paar Jahre im Gefängnis verbracht. Die GSG 9 hat ihn 2012 heimgesucht, weil ein zweifelhafter Kronzeuge vor Gericht behauptet hatte, Hanebuth habe den Auftrag erteilt, einen angeblich lästigen Kieler Rivalen zu ermorden. Daraufhin war eine der größten Polizeiaktionen abgelaufen. 1200 Beamte rücken zu Razzien aus, suchten vergeblich eine Leiche. Die Aussagen des Kornzeugen stellten sich als Erfindungen heraus. Das Verfahren wurde eingestellt.

Gesellschaftlich erledigt

Weil aber seine Name immer wieder mit blutigen Nachrichten in Verbindung gebracht wurde und er in Hannover, wo er einst angesehen war, gesellschaftlich erledigt ist, flog er immer häufiger nach Mallorca. Sein zwölf Jahre alter Sohn, der schon die Heimsuchung durch die GSG9 erlebt hat und den er liebt, war diesmal dabei. Freunden in Hannover sagte Hanebuth, er wolle sich anschauen, wie die Schulen auf der Insel so sind. Vielleicht werde er auch ein Bistro aufmachen, hat er häufiger gesagt. Von Gastronomie versteht er viel.

In Hannover hat Hanebuth nur noch zwei Bordelle. Die will er behalten. Am Freitag bekommt er Besuch von Anwalt Beyer im Knast. Der will ihm ein Konto einrichten und ein paar Kleidungsstücke mitbringen. Bei der Razzia blieb dafür keine Zeit.

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