Prügelattacke in Frankfurter U-Bahn:Außer Kontrolle

In der Frankfurter U-Bahn soll ein Mann seinen Ausweis zeigen - am Ende prügeln Polizisten auf ihn ein und verschaffen sich unberechtigt Zutritt zu seiner Wohnung. Derege Wevelsiep, ein Deutscher mit äthiopischen Wurzeln, hat Angst.

Marc Widmann

Es begann mit einer Lappalie. Es endete damit, dass Derege Wevelsiep im Krankenhaus lag. "Gehirnerschütterung mit Bewusstlosigkeit" notierten die Ärzte, außerdem Prellungen an Knie, Hüfte und Brustkorb. Zugefügt hätten ihm das Frankfurter Polizisten, sagt der dunkelhäutige Elektrotechnik-Ingenieur.

Der 41-jährige Deutsche mit äthiopischen Wurzeln arbeitet bei einem großen Konzern, Frankfurt nannte er stets sein Zuhause. Aber jetzt, sagt er, denkt er ans Auswandern. Die Lappalie, das ist eine Fahrkartenkontrolle in der Frankfurter U-Bahn am 17. Oktober, die völlig aus dem Ruder läuft. So viel ist schon gewiss, auch wenn die Ermittlungen erst anlaufen und die Frankfurter Polizei sich nicht dazu äußern will.

Wevelsieps Verlobte sitzt an diesem Tag in der Bahn, sie fährt nach eigenen Aussagen mit seiner Monatskarte, die er weitergeben darf, völlig legal, aber eine Kontrolleurin hält sie für eine Betrügerin. Ein Vorfall, der sich leicht klären lässt, wenn man sachlich bleibt. Stattdessen wird der Ton aggressiv, Wevelsieps Verlobte fühlt sich bedroht, ruft ihren Freund an, der herbeieilt. Bald stehen auch vier Polizisten da, einer zieht sich rasch Handschuhe über. Anstatt den Fall zu klären, geht es jetzt erst richtig los.

Wevelsiep ist ein kleiner Mann, der nicht aggressiv wirkt, als er am Donnerstag in einem Café seine Version des Falls erzählt. "Er ist so brav", sagt seine Verlobte, ebenfalls dunkelhäutig und alles andere als Furcht einflößend. Er habe die Beamten gebeten, doch beide Seiten anzuhören, sagt der Ingenieur. Die hätten aber nur auf die Kontrolleurin gehört, die behauptete, sie sei als Nazi beschimpft worden. Die Polizisten wollten seinen Personalausweis sehen, er hatte aber nur Führerschein und Firmenausweis dabei. "Wir nehmen ihn mit", habe einer der Polizisten schließlich gesagt. Sie wollten zu seiner Wohnung fahren, wo der Ausweis lag. Alles einigermaßen normal.

Gehirnerschütterung und Bewusstlosigkeit

Es war gegen 22:30 Uhr. Oben, vor der Station, duzten die Beamten den Ingenieur jetzt, ließen ihn seine Taschen leeren. Vor allem der Mann mit den Handschuhen sei immer aggressiver geworden, sagt Wevelsiep. "Du dummer Schwätzer" habe der Polizist gerufen, immer wieder, dann wollte er plötzlich Handschellen anlegen. Es ging, wohlbemerkt, um eine Fahrkarte. Wevelsiep sagt, er habe sich nicht fesseln lassen wollen ohne Grund. Daraufhin habe der Beamte bis zwei gezählt und dann zugeschlagen: Mit der Faust gegen das Auge, unvermittelt, mit voller Kraft. Während ein zweiter ihm Handschellen anlegte, habe der Beamte weitergeprügelt, gegen die Nieren, ihn dann noch mit dem Knie gerammt.

Vor seiner Haustür hätten sie die Verletzung im Gesicht mit einem Handy fotografieren wollen. Als der Ingenieur sich wegdrehte, habe ihn der Polizist mit den Handschuhen am Hals gepackt, bis er das Bewusstsein verlor. Wevelsiep erzählt das und bohrt sich zur Illustration die Finger in die Kehle. Gegen seinen Willen seien die Polizisten mit in die Wohnung gegangen, alle vier, bis ins Schlafzimmer, wo er ihnen endlich den Ausweis zeigen konnte. Dort musste sich der Ingenieur übergeben. Als der Rettungswagen kam, hätten die Polizisten noch versucht, die Sanitäter abzuwimmeln. Es sei ja nur ein Kratzer.

Wevelsiep hat eine siebenseitige Anzeige gestellt, unter anderem wegen Hausfriedensbruchs und Körperverletzung im Amt. Die Fahrkartenkontrolleurin hat ihn ebenfalls angezeigt, wegen Beleidigung. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft, und Familie Wevelsiep hat Angst. Sein dreijähriger Sohn, sagt er, spielte immer mit Polizeiautos. Jetzt nicht mehr.

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