Polizeigewalt:Mauer des Schweigens

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Keiner kommt durch: Polizisten kurz vor der Räumung eines links-alternativen Wohnprojektes in Berlin (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Polizei macht Fehler. Welche Institution macht sie nicht? Ihr größter Fehler aber ist es, dass sie sich angewöhnt hat, Fehler möglichst nicht zuzugeben. Dass sie Überreaktion und überzogene Gewaltanwendung als Normalität darstellt. Das ist ungut, das ist rechtsstaatswidrig, unverzeihlich und vor allem: dumm.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Die deutsche Polizei funktioniert, aber sie funktioniert nicht so gut, wie es sein könnte. Sie hat Fehler; wer hat sie nicht? Sie macht Fehler; welche Institution macht sie nicht? Ihr größter Fehler aber ist es, dass sie sich angewöhnt hat, Fehler möglichst nicht zuzugeben. Das ist ungut, das ist rechtsstaatswidrig, unverzeihlich und vor allem: dumm. Mehr als Fehler, mehr als Missgriffe und mehr als überzogene Zwangsanwendung schadet der Polizei deren Vertuschung.

Eine rechtsstaatliche Polizei lebt vom Vertrauen der Bevölkerung. Die fehlende Fehlerkultur in der Polizei nagt an diesem Vertrauen. Wird polizeiliches Fehlverhalten auch noch von Vorgesetzen gedeckt, dann haben diejenigen Beamten, die Fehler aufdecken wollen, einen schlechten Stand. Das setzt einen gefährlichen Prozess in Gang, der die notwendige Grundgewissheit der Bürger, bei der Polizei gut aufgehoben zu sein, zerstört.

Es gibt in der Polizei einen Code of Silence, eine Mauer des Schweigens. Wenn auch hohe Polizeiführer sich hinter diese Mauer des Schweigens stellen (wie derzeit in München), wenn sie selbst offenkundige Fehler ihrer Beamten leugnen, wenn sie Überreaktion und überzogene Gewaltanwendung als Normalität darstellen, dann tun sie das in vermeintlich guter Absicht - um die polizeiliche Integrität zu sichern und zu wahren; genau der schaden sie aber damit.

Der Beruf des Polizeibeamten ist hart, manchmal frustrierend

Es gilt in der Polizei die merkwürdige Philosophie, Fehler dadurch zu bekämpfen, dass man sie jedenfalls nach außen möglichst nicht zugibt. Deshalb wird Kritik an ihrer Arbeit von der Polizei oft als ungerechtfertigtes Misstrauen und als Kampagne missdeutet. Indes: die Forderung nach einer Kontrolle der Polizei und einer ordentlichen Aufklärung von Fehlern ist nicht der Ruf nach der Inquisition, sondern das Beharren auf einer Selbstverständlichkeit.

Es ist wahr: Der Beruf des Polizeibeamten ist hart, manchmal frustrierend. Nicht ganz zu Unrecht gibt es in der Polizei bisweilen das Gefühl, von der Politik missbraucht zu werden und deren Fehler ausbaden zu müssen (siehe Stuttgart 21). Und die Beamten erleben regelmäßig Dinge, die der normale Bürger selten erleben muss: Sie werden beschimpft, bespuckt und attackiert. Da kommt es zu eskalierenden Handlungsabläufen; eine erlaubte, ja gebotene Zwangsanwendung kippt um in eine Straftat. Die Komplexität des Geschehens erleichtert es dann, diese zu bemänteln.

Gewiss: Polizeiarbeit wird nicht besser, wenn man Polizeibeamte mehr bestraft. Darum geht es nicht; es geht um den konstruktiven Umgang mit falschen Praktiken. Deren Aufklärung kann nicht von den Polizeieinheiten geleistet werden, die die Fehler gemacht haben. Da braucht es eigene Kommissionen, nicht zur Abwertung, sondern zur Verbesserung der Polizeiarbeit. Und: Es sollte zentrale Beschwerdestellen geben, an die sich Bürger wenden können. Das wäre vertrauensfördernd.

Der Satiriker Karl Kraus hat einmal gesagt, ein Skandal beginne dann, wenn die Polizei ihn beendet. Er beginnt auch dann, wenn die Polizei ihn vertuscht.

© SZ vom 22.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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