Konklave:Geheimnistuerei als Instrument der Macht

Konklave beginnt möglicherweise schon vor 15. März

Kardinäle versammeln sich in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan.

(Foto: dpa)

Seit 750 Jahren läuft das Konklave mehr oder weniger gleich ab: Der Papst wird gewählt in einem Raum des Rückzugs und der Entschleunigung. Nichts soll im Vorfeld öffentlich diskutiert werden. Die katholische Kirche setzt immer noch bewusst auf geheimnisvolle Riten. Dabei sollte sie lieber mehr Offenheit pflegen.

Ein Kommentar von Matthias Drobinski

In wenigen Tagen wird das Mittelalter in die Moderne zurückkehren. Mehr als hundert Männer, 53 bis 80 Jahre alt, ziehen in die Sixtinische Kapelle ein, sie singen "Komm Schöpfer Geist" - veni creator spiritus. Die Tür schließt sich hinter ihnen, dann sind sie allein mit ihrer Entscheidung. Wahlgang um Wahlgang schreiben sie den Namen dessen auf einen Zettel, den sie für geeignet halten, die katholische Weltkirche zu führen. Wenn einer zwei Drittel plus eine der Stimmen auf sich vereint hat und die Zettel des letzten Wahlgangs in weißem Rauch aufgehen, dann gibt es einen neuen Papst.

So läuft im Großen und Ganzen das Konklave seit 750 Jahren ab, mit dem Unterschied, dass die Kardinäle heute nicht von Soldaten an den Haaren in den Abstimmungsraum gezogen werden, niemand mehr auf Wasser und Brot gesetzt wird, und die Wachen nicht mehr das Dach, unter dem die Kirchenmänner beraten, als Latrine nutzen. Das alles hat es gegeben wie auch Bestechung, Erpressung, Mord.

Im Jahr 2013 wird das Konklave wenige Tage dauern, die Kardinäle wohnen vergleichsweise komfortabel; manchem wird die Zeit der Abgeschiedenheit eine willkommene Auszeit vom Stress des Alltags sein. Und trotzdem bleibt der Schauder angesichts der Jahrhunderte, in denen das Prozedere gepflegt wurde, es bleibt der Reiz am Geheimnisvollen und Undurchsichtigen, das Schwebende, ob da nun der Heilige Geist unterwegs ist oder ob die Mächte des Bösen am Werk sind. Das ist eine der Stärken der katholischen Kirche: Ihr stehen Riten zur Verfügung, die das Alltägliche vom nicht Alltäglichen scheiden.

Dabei passiert bei der Papstwahl durchaus Profanes: Selbstverständlich gibt es Absprachen. Kardinäle sammeln Stimmen für den einen oder anderen Favoriten, es gibt kirchenpolitische Interessen und kontinentale wie landsmannschaftliche Verbundenheiten - und schlicht Sympathie und Antipathie. Wer Papst werden will, muss alles austarieren und Verbündete finden. Vor allem darf er sich vorhandenen Ehrgeiz nicht anmerken lassen. Er muss demütig bleiben oder Demut heucheln: Wer als Papst ins Konklave geht, kommt abgestraft als Kardinal wieder heraus.

Das kann man in einer Welt der unablässigen Selbstbewerbung skurril finden. Doch was wäre gewonnen, wenn der Papst in einer live zu verfolgenden Abstimmung gewählt würde, nach einem harten Wahlkampf? Wahrscheinlich wenig. Ein Papst, gewählt in einem Raum des Rückzugs und der Entschleunigung, ist immer anders als ein Politiker, der mit den Instrumenten der Politik gewählt wurde. Und weil die Kirche immer weniger über ihre institutionelle Macht wirkt und immer stärker über die Kraft des Wortes und des gelebten Beispiels, wird dieses Unterscheidungsmerkmal umso wichtiger sein.

Problematisch ist nicht das Konklave, problematisch ist die Geheimnistuerei rund um die Versammlung. Nichts soll im Vorfeld offen diskutiert werden, alles soll vor der bösen und missgünstigen Welt verborgen bleiben. Warum sollten die Kardinalsdebatten vor dem Konklave nicht öffentlich sein, nicht der Untersuchungsbericht zur Vatileaks-Affäre? Die katholische Kirche könnte die Zeit zwischen den Päpsten zur offenen Debatte über ihre Zukunft nutzen. Denn die Wahl, die die Männer in Purpur in den kommenden Tagen da treffen müssen, wird eine Richtungswahl sein: Wie stellt sich die größte Glaubensgemeinschaft der Welt den globalen Konflikten, die zunehmend religiös aufgeladen sind? Wie der Finanz-, Gerechtigkeits- und Umweltkrise, dem Verhältnis von Welt und Weltfremdheit, Tradition und Moderne?

Das sollten die Fragen der Eingeschlossenen sein. Nicht, ob der Papst dann aus Afrika kommt, aus Lateinamerika oder doch noch einmal aus Europa.

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