Frankreich:Knast für Kinder

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Die französische Justizministerin Rachida Dati will Haftstrafen schon für Zwölfjährige einführen. Das, so findet sie, gebietet "der gesunde Menschenverstand".

Gerd Kröncke

Geht denn das, dürfen denn Kinder vor Gericht gestellt werden, als seien sie Erwachsene? Rachida Dati, die attraktive französische Justizministerin in der Regierung von Nicolas Sarkozy, ist hochschwanger und wird im Januar niederkommen.

Kurz bevor sie in Mutterschutz geht, will Rachida Dati bei jugendlichen Straftätern hart durchgreifen. (Foto: Foto: AFP)

Sie gehört allerdings zu denen, die sich keine öffentlichen Sentimentalitäten leisten und eine ihrer letzten Maßnahmen, bevor sie ihren Urlaub zum Mutterschutz antritt, gilt einer ganz bestimmten Sorte von Sorgenkindern der Gesellschaft. Jugendliche Straftäter, selbst Straftäter im Kindesalter, so plant sie, sollen sich künftig früher verantworten.

Madame Dati wies darauf hin, dass die Vereinten Nationen ebenfalls die Strafmündigkeit im Alter von zwölf Jahren akzeptieren, was aber, wie ihre Kritiker meinen, auf einem Trugschluss beruht. Denn mit ihrer Forderung wollen die UN die noch niedrigere Altersschwelle in manchen Ländern verhindern. Ob Rachida Dati im kommenden Frühjahr, dann als alleinerziehende Mutter, noch immer Justizministerin ist, darüber hat der Präsident zu befinden.

Pläne hat sie jedenfalls genügend. So soll, was eine Kommission in ihrem Auftrag erarbeitet hat, bereits im Frühling in Gesetzesform gegossen und vom Parlament verabschiedet werden. "Die Aussage, dass ein Minderjähriger heute schon mit zwölf Jahren strafrechtlich belangt werden kann, scheint mir ein Gebot des gesunden Menschenverstands zu sein", sagte die Ministerin. Die eigentliche Gefahr, die unsere Kinder bedrohe, sei weniger eine Strafe durch einen Richter, als vielmehr "in der Falle der Straffälligkeit eingesperrt zu sein".

Schon heute stehen Kinder vor dem Richter. Und wenn sie auf der Anklagebank sitzen, dann berühren ihre Füße kaum den Boden. In Frankreich verbüßen derzeit sieben Dreizehnjährige eine Gefängnisstrafe wegen Verbrechen, weitere 115 sitzen wegen geringerer Vergehen ein, die aber oft in Serie begangen wurden.

Reaktionär, repressiv und idiotisch

Sie sind in Jugendgefängnissen untergebracht, kleinen Einheiten mit 60 bis 70 Plätzen, von denen es in Frankreich sechs gibt, was nicht alle goutieren. "Ein Kind von zwölf Jahren hat nichts im Gefängnis verloren", sagte Cathérine Sultan, Jugendrichterin in Créteil, zu Datis Plänen. "Ich bin nun seit zwanzig Jahren Richterin, und die Frage hat sich nie gestellt."

Zwar besteht die Ministerin darauf, dass eine Sanktion nicht notwendigerweise eine Gefängnisstrafe bedeuten muss, diese solle dem äußersten Notfall vorbehalten sein. Doch trotz dieser Einschränkungen regt sich scharfe Kritik an den Plänen. Knast für Kinder sei einfach nur "idiotisch", findet etwa die Sozialistin Marylise Lebranchu, die selbst einmal Justizministerin war. Denn dies sei "eine reaktionäre, repressive Betrachtungsweise von Kindern".

Es ist schon lange nicht mehr der Erziehungsgedanke, der im Mittelpunkt steht, wenn es um jugendliche Delinquenten geht, das ist jenseits des Rheins kaum anders als in Deutschland. Für die meisten scheint der Weg vorgezeichnet. Zum Beispiel bei dem inzwischen vierzehnjährigen Kevin, der mit einer Jugendbande in Perpignan loszog und selbst als jüngstes Mitglied zuschlug, wenn schwächere überfallen und beraubt wurden.

Kevin, aus schwierigen Verhältnissen stammend, war aus seiner Pflegefamilie abgehauen, war auch in einem Erziehungsheim nicht zu halten gewesen und hat schon in jungen Jahren zugehauen. In einer geschlossenen Erziehungsanstalt wartet er nun auf sein Verfahren. Seine kriminelle Karriere hatte mit zwölf begonnen, ob sie im Gefängnis ihr Ende findet, ist fraglich.

Rachida Dati, die Ministerin, will eine neue Instanz einbauen: ein Gericht für jugendliche Mehrfachtäter zwischen sechzehn und achtzehn Jahren. Möglicherweise wird das, wenn keinem etwas Besseres einfällt, einfach nur die nächste Station für den jungen Kevin sein.

© SZ vom 06.12.2008/hai - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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