Flugzeuge:Entführung zwecklos

Terroranschläge wie die vom 11. September 2001 könnten in Zukunft auf einfache Art verhindert werden: Wissenschaftler arbeiten an einem System, mit dem sich Flugzeuge im Notfall vom Boden aus kontrollieren lassen.

Jens Flottau

Die Vision klingt verlockend. Was immer auch schief gehen würde im Cockpit eines Flugzeugs, es müsste nicht mehr zur Katastrophe führen.

Flugzeug, Foto: dpa

Ein Flugzeug in großer Höhe. Im Fall einer Entführung könnte eine Fernsteuerung Terroranschläge verhindern.

(Foto: Foto: dpa)

Ob die Maschine entführt worden ist oder die Piloten das Bewusstsein verloren haben - ein festgelegtes Signal genügt und schon übernimmt der Computer vom Boden aus die Steuerung des Jets und führt ihn, als wäre er ein Modellflugzeug, sicher zum nächsten Flughafen. In einer Linienmaschine zu reisen würde noch sicherer.

An der Verwirklichung dieser Vision wird kräftig gearbeitet. Wissenschaftliche Institute wie die Technische Universität München und Unternehmen wie Siemens und Airbus haben sich in einem von der Europäischen Union geförderten Projekt zusammengetan.

Katastrophen verhindern

Dessen Ziel ist es, die Piloten in Notsituationen zu ersetzen oder bewusst aus dem Spiel zu nehmen. Das 2004 gestartete Entwicklungsprogramm heißt Safee (Security of Aircraft in the Future European Environment) und verfügt über einen Etat von 36 Millionen Euro. Erste Ergebnisse sollen im Oktober der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Zwei Flugzeugkatastrophen haben das Thema in den vergangenen Jahren aktuell gemacht. Bei den Anschlägen vom 11.September 2001 hatten Terroristen die Cockpits von vier Flugzeugen gestürmt, die Piloten überwältigt und die Maschinen in das New Yorker World Trade Center und das Pentagon gesteuert.

Die vierte Maschine stürzte auf ein Feld im US-Bundesstaat Pennsylvania. Im August des vergangenen Jahres traumatisierte der Absturz einer Boeing 737 der zypriotischen Ferienfluggesellschaft Helios Airways die Flugbranche.

Stundenlang flog die Boeing führungslos und nur mit Autopilot, weil offenbar wegen eines Wartungsfehlers kein künstlicher Kabinendruck aufgebaut werden konnte und die Piloten ohnmächtig geworden waren. Die Helios-737 stürzte schließlich nahe Athen ab, weil der Treibstoff zur Neige gegangen war. 121 Menschen starben.

Abschuss unnötig

In allen Fällen, so argumentieren Befürworter, hätte eine Außensteuerung die Abstürze womöglich verhindern können. Das System würde die Kontrolle übernehmen, wenn bestimmte Ton- oder Videoimpulse einen Alarm auslösen.

Entführer könnten mit ihren Steuerbefehlen im Cockpit keine Wirkung mehr erzielen. Und Passagiere könnten gerettet werden, wenn beide Piloten gleichzeitig ausfallen.

Mit einer solchen technischen Neuerung würde sich womöglich auch die Debatte über das deutsche Luftsicherheitsgesetz erübrigen, das die rot-grüne Bundesregierung auf den Weg gebracht hatte.

Es hätte die Bundeswehr ermächtigt, entführte Passagier-Flugzeuge abzuschießen. Das Bundesverfassungsgericht erklärte es im Februar 2006 für nichtig.

Degradierte Kapitäne

Die Befugnis verstieße gegen das Grundrecht auf Leben und die Garantie der Menschenwürde, hieß es zur Begründung. Der Staat dürfe niemals Unschuldige zur Rettung anderer töten.

Es gibt aber auch gravierende Argumente gegen die Fernsteuerung. Noch ist nicht erwiesen, dass es technisch mit ausreichender Zuverlässigkeit möglich ist, Flugzeuge der Größe von Linienjets aus Tausenden Kilometern Entfernung zu steuern.

Auch würde der Grundsatz gebrochen, dass der Kapitän immer die Entscheidungsgewalt über sein Flugzeug haben muss - mit völlig unklaren Rechtsfolgen.

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