Drittes Reich: Hundetraining:Sitz Heil!

Airedale-Terrier Rolf verfasste Gedichte, Dackel Kurwenal nutzte für jeden Buchstaben ein eigenes Bellen: Adolf Hitler und seine Schergen wollten offenbar nicht nur mit Waffen, sondern auch mit begabten Hunden Krieg führen.

Titus Arnu

Selbst ein Hund von geringem Verstand sollte wenigstens die Kommandos "Sitz", "Platz" und "Aus" verstehen. Schlauere Artgenossen können nachweislich bis zu 200 Wörter unterscheiden. Aber gibt es tatsächlich vierbeinige Intelligenzbestien, die Gedichte verfassen, Rechenaufgaben lösen und per Telepathie mit ihren Herrchen kommunizieren können?

Drittes Reich: Hundetraining: In der "Tiersprechschule Asra": Ein Versuch, Gedanken vom Hund zum Menschen zu übertragen.

In der "Tiersprechschule Asra": Ein Versuch, Gedanken vom Hund zum Menschen zu übertragen.

(Foto: aus dem Buch "Amazing Dogs" von Jan Bondeson, Amberley Publishing)

Ja, die gibt es, berichten britische Boulevardzeitungen, und wie immer stecken die Nazis dahinter. "Hitler wollte Hunden das Sprechen beibringen", titelt die Daily Mail, und die Sun will erfahren haben, dass die Nazis in einer Kampf-Hundeschule mit Tier-Telepathie experimentierten. Hitler habe gehofft, die Hunde würden lernen, geheim mit ihren SS-Herrchen zu kommunizieren. Der Hunde-Führer habe deshalb ein Bildungsinstitut für Vierbeiner unterstützt, in dem Tiere Sprechen und Lesen lernten.

Hitlers Hundeliebe ist bekannt, sein Schäferhund Blondi gehörte zum engsten Familienkreis und stand dem Führer bis zum Tod bei; seinem Terrier Fuchsl brachte er Kunststücke wie das Klettern auf einer Leiter bei. Weniger bekannt war bislang die Existenz von superschlauen Hunden als Geheimwaffe. Britische Boulevardzeitungen tischen ihren Lesern immer wieder Geschichten über groteske Nazi-Machenschaften auf. Hitler baute Ufos! Nazis wollten Alliierte mit vergifteten Würsten töten! Manches davon erinnert an Monty Python's Sketch mit dem tödlichen Witz, aber die bizarre Hunde-Story hat wohl einen wahren Kern.

"Es gibt tatsächlich Hunde, die menschliche Stimmen nachahmen können," sagt der Fachautor Jan Bondeson der SZ, "auch wenn man das nicht wirklich als Sprechen bezeichnen kann." Bondeson, ein schwedischer Arzt, arbeitet an der Universität Cardiff und hat bereits mehrere Bücher zu medizinhistorischen Themen veröffentlicht. Bei Recherchen zu seinem neuen Werk "Amazing Dogs", das in diesen Tagen auf Englisch erscheint, stieß er auf die "Tiersprechschule Asra" in Leutenberg, einem Ort in Thüringen. Dort sollen von 1930 bis Ende des Zweiten Weltkrieges hochbegabte Hunde von Veterinären und Tierpsychologen trainiert worden sein. In historischen Dokumenten fand Bondeson Hinweise darauf, dass sich Hitler persönlich für die Hundeschule einsetzte: "Er empfahl führenden SS-Leuten, sich die Sprechschule anzuschauen und herauszufinden, ob man die Kommunikationstechniken für den Krieg nutzen könnte."

Bismarckdogge, besonders begnadet

Kann man sich den Unterricht etwa so vorstellen wie in Professor Habakuk Tibatongs Tiersprechschule auf der Insel Titiwu, wo Urmel aus dem Eis, Wawa der Waran und Seele-Fant an ihrer Aussprache feilen? So ähnlich, aber auf einer höheren fachlichen Ebene: "Tierkommunikation und Tierpsychologie wurden damals erstaunlich ernst genommen", sagt Autor Bondeson, der fünf Jahre lang für sein Werk in historischen Fachzeitschriften recherchierte. In der Staatsbibliothek Berlin fand der Mediziner eine ganze Reihe von Quellen, die über angeblich hochbegabte Hunde berichteten.

Drittes Reich: Hundetraining: Frauchen mit Hund mitten im Training: Mit menschlicher Stimme soll Jagdhund Don gesagt haben: "Hunger! Kuchen haben!"

Frauchen mit Hund mitten im Training: Mit menschlicher Stimme soll Jagdhund Don gesagt haben: "Hunger! Kuchen haben!"

(Foto: aus dem Buch "Amazing Dogs" von Jan Bondeson, Amberley Publishing)

Kurwenal, ein Dackel aus Weimar, soll mit Menschen kommuniziert haben, indem er ein spezielles Bellen für jeden Buchstaben benutzt habe. Ein Jagdhund namens Don konnte angeblich die menschliche Stimme nachahmen und sagen: "Hunger! Kuchen haben!" Ein anderer Hund soll auf die Frage "Wer ist Adolf Hitler?" mit "Mein Führer" geantwortet haben. Airedale-Terrier Rolf soll sich mit seinem Frauchen Paula Moekel unterhalten haben, indem er mit seinen Pfoten eine Art Morse-Alphabet auf eine Papptafel geklopft habe. Rolf soll auf diese Weise Gedichte verfasst haben, er beschäftigte sich auch mit Fragen der Religion, der Politik und der Philosophie.

Solche Begabungen wollte die Tiertrainerin Margarete Schmidt fördern. Sie hatte ihr Institut nach Asra benannt, einer intellektuell besonders begnadeten Bismarckdogge. Zu den Fächern, die Asras Mitschüler lernten, gehörten laut einem Prospekt der Schule, "dass die Tiere nicht nur addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren, sondern auch die Uhrzeiten wissen." Max Müller, Veterinärmediziner an der Universität München und glühender Anhänger der Nazis, glaubte an die Sprachförderung für Hunde und bescheinigte der Asra-Schule ein hohes wissenschaftliches Niveau.

Dennoch zweifeln Fachleute heutzutage daran, dass Gespräche oder gar Gedankenübertragung mit Hunden möglich sind. Manche gut trainierte Kandidaten wie der Border-Collie Rico, der bei "Wetten, dass. . .?" vor einigen Jahren die Zuschauer verblüffte, bringen es tatsächlich auf 250 Wörter, aber sprechen können sie nicht. "Ich habe mal versucht, mit den Neufundländern eines Freundes zu kommunizieren", erzählt Jan Bondeson, "das sind zwar nette Tiere, verstanden haben sie mich aber ganz sicher nicht."

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