Diskussion um Internet-Pranger:Darf eine Prominente den Verfasser obszöner E-Mails outen?

Die deutsche Hochsprung-Rekordhalterin Ariane Friedrich hat auf Facebook Name und Wohnort eines Fans veröffentlicht, der ihr eine anzügliche Mail inklusive Foto geschickt haben soll. Im Netz ist nun eine Debatte entbrannt: Darf eine prominente Sportlerin das? Noch dazu eine, die selbst Polizistin ist?

Mit ungewöhnlichen Mittel geht die deutsche Leichtathletin Ariane Friedrich gegen einen Mann vor, der ihr eine anzügliche Mail geschickt haben soll. Angehängt war demnach auch ein Foto: "Ich möchte weder Ihr Geschlechtsteil, noch die Geschlechtsteile anderer Fans sehen," schrieb die Hochsprung-Rekordhalterin vergangene Woche als Reaktion auf ihrer Facebook-Seite. Dazu veröffentliche sie neben einem kurzen Teil der obszönen Nachricht gleich noch den Vornamen, den Namen und den Wohnort des Mannes.

Hochspringerin Ariane Friedrich hat Knorpelquetschung

Hochspringerin Ariane Friedrich geht öffentlich gegen einen Fan vor, der ihr eine obszöne Mail geschickt haben soll.

(Foto: dpa)

Fast 2000 Menschen haben unter dem Eintrag ein "Gefällt mir" hinterlassen, mehr als 300 Kommentare sind dazu eingegangen. Viele Fans sprechen der prominenten Sportlerin ihren Respekt für diesen Schritt aus, andere halten die Reaktion für überzogen - und für gefährlich. Inzwischen ist auch auf anderen Seiten im Netz eine Debatte entbrannt: Darf eine prominente Sportlerin das? Noch dazu eine, die selbst Polizistin ist?

Die Rechtslage ist eindeutig: Selbst wenn der Mann ein Stalker sein sollte, gilt für ihn das Persönlichkeitsrecht. Demnach gilt der Inhalt der E-Mail-Korrespondenz als privat und darf nur nach Zustimmung veröffentlicht werden. Gleiches gilt für die Adresse.

Nichts aus dem Fall Emden gelernt?

Entsprechend gibt es auch kritische Stimmen im Netz. "Polizistin nutzt Facebook als Pranger" titelt etwa der Anwalt Udo Vetter auf seinem renommierten "lawblog". Darunter heißt es: "Persönlichkeitsrechte? Datenschutz? Viel kann die Polizeikommissarin und Spitzensportlerin Ariane Friedrich darüber in ihrer Ausbildung nicht gelernt haben." Doch was solle man von einer Polizistin halten, die der Polizei offenbar nicht zutraut, ihren Job zu machen?

Wie das wohl umgekehrt aussähe, fragt ein anderer Blogger sichtlich verärgert. Wie wohl die Reaktion der "lieben Kommissarin" wäre, wenn man "prügelnde Polizisten" mit Namen und Wohnort an den Pranger stellen würde? Und ob die Frau nicht wisse, dass man den Absender einer E-Mail "kinderleicht fälschen" könne? "Es gibt laut amtlichem Telefonbuch mindestens 6 Personen gleichen Namens in der gleichen Gegend", schreibt der User "konsumer" und stellt die Frage, was passiert, wenn der wütende Mob den falschen erwischt.

Auch auf Twitter fragt ein User, ob die Frau aus den Fall Emden nichts gelernt habe. Damals war aus einem 17-jährigen Mordverdächtigen im Netz in kürzester Zeit ein "Killer" und "Monster" geworden, das "kastriert" und "erschossen" gehöre. Den Drohungen im Internet folgte ein echter Mob vor der Polizeiinspektion in Emden, welchen die Ermittler später als "Aufruf zur Lynchjustiz" bezeichneten. Bald darauf stellte sie heraus, dass der 17-Jährige nicht der Täter war.

Friedrich verteidigt Outing

Nun hat Friedrich reagiert - und ihr Vorgehen verteidigt. Erneut wendete sie sich auf ihrer Facebook-Seite an ihre Fans. Natürlich sei es ein großer Schritt, solch eine Mail öffentlich zu machen, aber es sei eben nicht das erste Mal, dass sie solche Post erreiche. "Es gibt einfach einen Punkt an dem Schluss ist", schreibt Friedrich. Sie wolle nun zusätzlich Anzeige stellen. "Ich bin allerdings nicht mehr bereit, mich doppelt zum Opfer zu machen und stets zu schweigen - ich bin es schlicht leid", begründet Friedrich ihr Vorgehen.

Mit dem Verlassen der Anonymität wolle sie zeigen, "dass ich bereit bin, aktiv zu handeln". "Ich wurde in der Vergangenheit beleidigt, sexuell belästigt, und einen Stalker hatte ich auch schon", schreibt die 28-Jährige. "Es ist Zeit zu handeln, es ist Zeit, mich zu wehren. Und das tue ich. Nicht mehr und nicht weniger."

Ihr Manager und Trainer Günter Eisinger ist dagegen bemüht, die Wogen zu glätten. "Das Thema hat nichts mit der Öffentlichkeit zu tun", erklärte er. Er befürchtet offenbar, dass sich der Vorfall störend auf die Olympia-Vorbereitung seiner Athletin auswirkt. "Ariane hat schon ein paar Tage verloren dadurch", sagte Eisinger, der er erst vor wenigen Tagen mit seinem Schützling aus dem Südafrika-Trainingslager in Pretoria zurückgekommen war.

Dort lief offenbar alles bestens. "Das Training läuft wunderbar, aber Ariane muss das erst wieder umsetzen und den Kopf frei haben", sagte Eisinger. "Wir können keine Stressfaktoren gebrauchen." Nach einem Achillessehnenriss feierte die 2,06-Meter-Springerin nach langer Zwangspause gerade erst ihr Comeback.

"Es war ihr Notwehrrecht"

Die Chefs der beiden deutschen Polizeigewerkschaften reagieren mit Zustimmung hinsichtlich der Strafanzeige - aber auch Kritik für die Veröffentlichung des E-Mail-Absenders: "Das könnte sehr problematisch sein", sagte Josef Scheuring, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. "Man sollte niemanden vorschnell an den Pranger stellen. Sowas haben wir kürzlich in Emden erlebt", so Scheuring.

Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, ist anderer Meinung: "Auch im Internet zählt das Strafgesetzbuch, auch wenn der eine oder andere glaubt, dort unter dem Deckmantel der Anonymität bleiben zu können", sagte er. Und über Friedrichs Veröffentlichung auf Facebook: "Es war ihr Notwehrrecht."

Die Hochspringerin und ihr Manager und Trainer wollen ab sofort keinen Kommentar mehr zur Affäre abgeben. "Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Es ist ein laufendes Verfahren, und wir geben keine Kommentare mehr ab", sagte Eisinger am Montag.

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