Aktion auf Rechtsrockfestival:Trojaner-"T-Hemd" legt Neonazis rein

So abgebrüht und witzig hat lange keiner das deutsche Neonazi-Milieu übertölpelt: Begeistert griffen die Besucher eines Rechtsrock-Konzerts in Gera zu kostenfreien T-Shirts mit martialischem Aufdruck. Doch nach dem ersten Waschgang gaben die Shirts ihre wahre Botschaft preis.

Marc Felix Serrao

Wenn sich ein Neonazi gezwungen sieht, eine Aktion gegen Rechtsextremismus zu loben, dann muss schon etwas sehr Ungewöhnliches passiert sein. "Wieso kamen wir nicht auf sowas?", schrieb ein User namens "Kahlkopf" Anfang dieser Woche im Online-Forum der "Germanischen Weltnetzgemeinschaft Thiazi". Einerseits sei die Aktion "ja fies", andererseits müsse man schon darüber lachen.

Nazi, Shirt, Waschen

Gut getarnt: das T-Shirt der Berliner Initiative Exit. Links sieht man das Motiv vor, rechts nach dem ersten Waschgang.

(Foto: Exit)

Mit der Aktion ist eine Kampagne der Neonazi-Aussteiger-Initiative "Exit-Deutschland" gemeint, die am Samstag bei einem Rechtsrock-Konzert der NPD im thüringischen Gera stattfand und seither Rechtsextremisten in ganz Deutschland auf die Palme bringt.

Die gemeinnützige Berliner Initiative hatte dem Landesverband der Partei kurz vor dessen Konzert zwei Pakete mit 250 T-Shirts geschickt, getarnt als Kleiderspende eines fiktiven Nationalisten. Die "T-Hemden", wie sie im nationaldeutschen Jargon heißen, sahen auf den ersten Blick szenetypisch aus, mit einem aufgedruckten weißen Totenkopf und dem Schriftzug: "Hardcore Rebellen - National und Frei". Und sie wurden entsprechend freudig verteilt.

Doch schon am Tag nach dem Konzert schlugen die ersten Besucher Alarm: Die T-Shirts trügen eine geheime Botschaft, die sich aber erst nach dem ersten Waschgang offenbare. Dann, informierten sie ihre Kameraden, erscheine plötzlich ein ganz anderer Slogan: "Was Dein T-Shirt kann, kannst Du auch - Wir helfen Dir Dich vom Rechtsextremismus zu lösen." Drunter die Kontaktdaten von Exit.

Eine Aktion gegen Rechtsextremismus, unfreiwillig und unwissend ausgeführt von denen, die man schwächen will: So abgebrüht und witzig hat lange keiner das deutsche Neonazi-Milieu übertölpelt. Entsprechend hilflos wirken die ersten Kommentare der Szene im Netz. "Für was die alles Geld haben", schrieb ein Thiazi-Nutzer, "Ideen ham die, nich normal", ein anderer.

Anonymer Helfer

Bernd Wagner, Mitbegründer von Exit und Geschäftsführer der "ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur", ist angesichts der Irritation bei den Neonazis "sehr zufrieden". Seine Initiative habe es mit Hilfe der T-Shirts geschafft, ihr Anliegen direkt ins Milieu hineinzutragen. Sicher bringe so etwas keinen Rechtsextremisten dazu, seine fremdenfeindliche und antisemitische Ideologie von heute auf morgen zu überdenken. "Aber unser Name speichert sich in den Köpfen ab. Und wenn dann irgendwann mal einer darüber nachdenkt, die Szene zu verlassen, wird er sich an uns erinnern."

Wagner hat seine durch staatliche Zuschüsse und Spenden finanzierte Initiative im Jahr 2000 zusammen mit dem Neonazi-Aussteiger Ingo Hasselbach gegründet. Nach eigenen Angaben hat Exit seither rund 400 Menschen bei ihrem Absprung aus dem Milieu geholfen.

Bei der "Operation Trojaner T-Hemd" hatte Wagner, wie er zugibt, professionelle Hilfe von außen. Ein Marketing-Experte aus Hamburg, der seinen Namen und den seiner Firma aus nachvollziehbaren Gründen nicht in der Zeitung lesen möchte, hatte mit ein paar Kollegen die Idee mit dem abwaschbaren Schriftzug. Sein Unternehmen zahlte auch für den Druck.

Ihr Ziel sei es gewesen, junge Rechtsextremisten direkt auf das Angebot von Exit aufmerksam zu machen, erklärt der anonyme Helfer, "möglichst in einer Situation, in der sie allein zu Hause sind". Bei der Komposition des T-Shirts sei dann der Materialmix das gewesen, was die meiste Arbeit machte. Der obere Aufdruck sollte ja nicht gleich beim ersten Regenschauer verschwinden.

In der Druckerei seien rund 50 Shirts draufgegangen, bis die Mischung stimmte. Die Kosten der ganzen Aktion lägen im "niedrigen vierstelligen Bereich", sagt der Marketing-Mann - eine Spende, die er und seine Firma gerne leisteten: "Wir wollen Exit einfach bekannter machen."

Dass ihnen das gelungen ist, müssen nun sogar die zugeben, die am Wochenende noch als vermeintliche "Hardcore Rebellen" durch Gera marschiert sind.

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