100. Todestag:Der Mann, der den Wilden Westen in die Welt trug

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Heute vor 100 Jahren starb der legendäre Bisonjäger Buffalo Bill. Sein Grab in Denver, Colorado, zieht noch immer Tausende Touristen an. Obwohl Kritiker anzweifeln, dass der Mann wirklich dort begraben ist.

Von Bastian Hosan

Als Buffalo Bill vor 100 Jahren an Herz- und Nierenversagen stirbt, wollen 25 000 Menschen seinen im Kapitol in Denver aufgebahrten Leichnam sehen. Seine Beerdigung soll einem Triumphzug geglichen haben, sogar sein letztes Pferd soll da gewesen sein. Nur: War auch seine Leiche dort?

Das ist eine Frage, über die in Denver in Colorado und Cody in Wyoming bis heute gestritten wird - auch und ganz besonders in diesen Tagen, da sich der Tod von Buffalo Bill zum hundertsten Mal jährt. In Colorado liegt William F. Cody, so sein richtiger Name, offiziell begraben. Doch die Leute im Ort Cody, den Buffalo Bill selbst gegründet hat, behaupten, er liege in den Bergen um ihre Stadt begraben - trotz der 500 000 Besucher, die jedes Jahr sein Grab in Colorado besuchen. Es gibt Geschichten von Leichenraub, von bewaffneten Nachtwachen an seinem Grab; die Positionen werden unerbittlich vertreten in diesem seltsamen Leichenstreit.

Es sei sein letzter Wille gewesen, in der Stadt begraben zu sein, die seinen Namen trägt, sagen die Bürger von Cody, wohingegen der Direktor des Buffalo-Bill-Museums in Denver, Steve Friesen, der Los Angeles Times einmal erklärte, drei Dinge seien sicher im Leben: "Der Tod, Steuern und dass William F. Buffalo Bill Cody hier begraben ist, am Lookout Mountain mit Blick in die Rocky Mountains."

Buffalo Bill ist mehr als nur ein verstorbener Prominenter. Er gilt als Inbegriff des Cowboys, als personifizierter Wilder Westen. Berühmt geworden ist er als erster amerikanischer Showman, seine Markenzeichen damals sind breiter Hut, lange Haare, Bart, eine Lederjacke mit Fransen. "Buffalo Bills Wild West", heißt die Show, mit der er den Wilden Westen und sich selbst weltweit berühmt macht.

Die Münchner nennen ihn "Ochsen-Willi"

Mit ihr tourt er durch Amerika und Europa, mit dabei sind stets unzählige Indianer, wenngleich kein Zweifel daran besteht, wer die Hauptattraktion ist. "Die verblüffendsten Schießkunststücke führte Buffalo Bill selbst vor: Er schoß, in voller Carriere um die Arena sprengend, mit einem Mehrlader Glaskugeln herab, die ein neben ihm reitender Indianer in die Höhe warf", schreiben die Münchner Neuesten Nachrichten 1890. Damals gastiert Cody in München, der Tross campiert auf der Theresienwiese, samt Bisons und Pferden. Gern erzählt wird die Anekdote, als die Indianer das Gärtnerplatztheater besuchten: Besonders der Schuhplattler habe es ihnen angetan, ihr Applaus habe erst geendet, als die Bayern versprachen, ihren Tanz noch einmal aufzuführen.

18 Tage lang zeigen die Schausteller den Münchnern, wie es sich im Wilden Westen lebt. In dem 6000 Zuschauer fassenden Zelt zeigen sie Kämpfe zwischen Indianern und Cowboys, sie simulieren Postkutschen-Überfälle und Bison-Jagden. Jeden Tag ist die Show ausgebucht. München ist wie im Fieber, selbst der bayerische Adel kann nicht genug kriegen von den Leuten aus der Neuen Welt, giert danach zu sehen, wie Buffalo Bill mit seinem Winchester-Gewehr Glaskugeln und Dollarmünzen aus der Luft schießt, im Galopp die Pferde wechselt - und wie er immer wieder den Indianerhäuptling Yellow Hand skalpiert.

Es ist sein Leben, das Cody auf der Bühne zeigt. Der Kampf mit dem Indianerhäuptling geht zurück auf seine Zeit als Späher bei der Armee. Mit den Postkutschen-Überfällen inszeniert er seine Zeit als Depeschen-Reiter beim Pony-Express. Cody ist 14, als er bei dem legendären Postdienst anfängt. "Aufgewachsen bin ich im Sattel", schreibt Cody in seiner Biografie. Im Sattel bleibt er bis kurz vor seinem Tod durch Nierenversagen am 10. Januar 1917. Denn auch wenn seine Show ein riesiger Erfolg ist, Cody ist meist knapp bei Kasse und muss bis ins hohe Alter arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren.

1868 gibt es ihn noch, den Wilden Westen, den Cody in seiner Show zu zeigen versucht. In Amerika wird zu dieser Zeit die Eisenbahn ausgebaut, Tausende Arbeiter leben in der Prärie - Cody versorgt sie mit Bisonfleisch. Millionen der riesigen Rinder (fälschlicherweise von den Amerikanern Büffel genannt) grasen damals auf der Steppe. Er gilt als der beste Jäger, bald beginnen die Arbeiter, ihn Buffalo Bill zu nennen. In seinem Leben soll er gut 10 000 der Tiere getötet haben. Es ist ein gefährlicher Job, für den er mit seinem Pferd Brigham mitten in die Herden reitet und ein Tier nach dem anderen abschießt. "Als ein Büffel fiel, brachte mich Brigham so nah an den nächsten, dass ich ihn fast mit dem Lauf meiner Waffe berühren konnte", schreibt er in seinen Memoiren. Das Bisonjagen, die Kämpfe gegen Indianer und nicht zuletzt seine Show machen in um 1900 zum meistfotografierten Amerikaner.

Der "Ochsen-Willi", wie ihn die Münchner nennen, hat auch in Europa prominente Zuschauer. In England spielt er vor Queen Victoria zum Thronjubiläum; Annie Oakley, seine Scharfschützin, soll sogar Kaiser Wilhelm II. die Zigarre aus dem Mund geschossen haben. Bei einem indianischen Frühstück am 22. April 1890 serviert Cody den geladenen Münchner Gästen Bohnensuppe, gebratenen Fisch, Pork and Beans, Essen, das angeblich aus den Weiten der USA kommt. Die Faszination hält an, als Cody und seine Truppe abziehen - so lange, dass 1913 in München der erste Cowboy-Club Deutschlands gegründet wird.

Den Club gibt es heute noch. Herbert Köpf, Spitzname "Billy", ist der Vorsitzende. Ein freundlicher Mann, dessen Wohnzimmer an einen Saloon erinnert. In seiner Büchersammlung hat er ein Buch über Buffalo Bill, geschrieben hat es der Vorsitzende des Buffalo-Bill-Museums in Denver, Steve Friesen. "Wir haben Friesen für seine Forschungen Bilder von Cowboy-Shows in München leihen können, dafür hat er mir das Buch geschenkt", erzählt Köpf. Sein Verein, sagt er, sei auch heute noch eine Reaktion auf den Besuch Buffalo Bills in München: Wilder Westen in der Alten Welt. Fans, die das Andenken des Cowboys auch hundert Jahre später noch ehren. Das Andenken, das Cody und seine Indianer einst nach Europa gebracht haben.

© SZ vom 10.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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