31-jähriger Deutscher in Peking in Haft:Ohne Anklage im Gefängnis

Als Schmuggler sitzt Nils Jennrich in China hinter Gittern. Seit vier Monaten nun schon. Familie und Freunde des Kunstspediteurs sind von seiner Unschuld überzeugt. Doch Hoffnung auf eine baldige Freilassung haben sie kaum.

Ralf Wiegand

Hoffnung habe sie eigentlich nicht, aber an irgendetwas muss sie ja glauben. Karin Jennrich sagte also einem Radiosender, vielleicht komme ihr Sohn ja schon diese Woche frei. So könnte verhindert werden, dass er zum Thema für die große Politik wird, dass es zu schwereren diplomatischen Zerwürfnissen zwischen Deutschland und China kommt. Am kommenden Wochenende findet der deutsch-chinesische Rechtsstaatsdialog in München statt, Thema sind dann "Bürgerrechte und staatliche Gesetzgebung im digitalen Zeitalter." Vielleicht wird aber auch der Häftling Nils Jennrich aus Rendsburg zum Thema.

Nils Jennrich

Seit vier Monaten ist der Deutsche Nils Jennrich in Peking inhaftiert, die chinesischen Behörden werfen dem Kunstspediteur Schmuggel vor.

(Foto: dpa)

Der 31-jährige Betriebswirt aus Schleswig-Holstein sitzt seit Ende März in chinesischer Haft - unschuldig, wie Freunde, Kollegen, Familie und seine inzwischen weit über 2000 Facebook-Unterstützer finden. "Free Nils Jennrich" heißt die Seite, mit der dem inhaftierten Deutschen der Rücken gestärkt werden soll: "Unser Freund Nils" sei Opfer "staatlicher Willkür in China", steht da geschrieben. Er sitze unbegründet in Untersuchungshaft. Denn so sehr sich auch die stille Diplomatie momentan um den Mann aus Norddeutschland bemüht, für die chinesische Regierung gilt er nach wie vor als potenzieller Schmuggler.

Sein Fall, ließ das chinesische Außenministerium in Peking am Dienstag wissen, werde nach den Gesetzen Chinas bearbeitet. Zunächst werde die Untersuchungshaft bis 4. August verlängert. Theoretisch könnte Jennrich noch bis Ende Oktober einsitzen, ohne dass die Ermittlungsbehörden konkreter zu den Vorwürfen Stellung beziehen müssen.

Der Deutsche, so lautet der Vorwurf der chinesischen Behörden, soll internationale Kunstlieferungen transportiert haben, deren Wert niedriger deklariert worden sei als er tatsächlich war. Hintergrund könnte sein, dass die chinesische Obrigkeit derzeit versucht, mit hohen Ein- und Ausfuhrzöllen auf Kunstgegenstände Steuerhinterziehung zu unterbinden. In Jennrichs Fall soll es laut Medienberichten um knapp 1,3 Millionen Euro gehen, um die sich der chinesische Zoll geprellt fühlt.

Freilassung auf Kaution wurde abgelehnt

Der Fall beschäftigt inzwischen die Politik. Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner hat dem Landsmann seine Unterstützung zugesagt, auch Ministerpräsident Torsten Albig (beide SPD) hat sich eingeschaltet und mit chinesischen Diplomaten gesprochen. Zwischen Kiel und dem Außenamt in Berlin besteht ständiger Kontakt in der Sache. Der deutsche Botschafter in Peking hat den Häftling zweimal besuchen dürfen; Briefe, die ihm die Familie schickt, darf er angeblich nur durch eine Glasscheibe lesen. Freilassung auf Kaution oder bessere Haftbedingungen seien abgelehnt worden; angeblich sitzt Jennrich mit einem Dutzend Gefangener in einer Zelle.

Jennrich lebt seit fünf Jahren in China und arbeitet als Manager für eine Firma namens Integrated Fine Arts Solutions (IFAS), die sich darauf spezialisiert hat, Kunst zwischen Asien, besonders Peking, Shanghai und Hongkong, und dem Rest der Welt zu transportieren. Kunden sind Galerien, Museen und Auktionshäuser, aber auch private Händler und Sammler.

Jennrichs Arbeitgeber hält die Schmuggel-Vorwürfe für unsinnig: Für die Ein- und Ausfuhrabgaben seien jeweils die Auftraggeber zuständig, nicht die Spedition. "Wir können den Wert der Gegenstände gar nicht feststellen", sagte IFAS-Chef Torsten Hendricks. Sein Unternehmen sorgt für spezielle Verpackungen, sicheren Transport, fachgerechte Lagerung, hilft bei Auf- und Abbau der Kunst - die Papiere aber seien Sache der Kunden. Auch ein Briefträger könne nicht für den Inhalt von Paketen zur Rechenschaft gezogen werden.

Jennrich, den die Zollbeamten im Pekinger IFAS-Büro verhaftet haben, geht es nach Angaben seiner Mutter schlecht. "Er hat sehr, sehr stark abgenommen", sagte Karin Jennrich dem Sender NDR 1 Welle Nord. Sie hoffe, dass er bald freikommt, aber "so richtig daran glauben tue ich nicht".

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