70. Geburtstag:Uschi Obermaier - das "1000-Mark-Mädchen"

Uschi Obermaier wird 70

Uschi Obermaier eine Woche vor ihrem 70. Geburtstag in Topanga Canyon in Kalifornien mit ihrem Hund Lulla.

(Foto: dpa)

Sie lebte das Leben, von dem viele Revolutionäre nur träumten. Eine Hommage an das Model zu ihrem 70. Geburtstag.

Von David Steinitz

Heute würde man vermutlich eine Ladung Pfefferspray ins Gesicht bekommen, wenn man ein junges Mädchen auf der Straße fragte, ob es Lust habe, "ein paar Fotos zu machen".

Für Uschi Obermaier aber war genau dieses Erlebnis die heiß ersehnte Exit-Strategie aus einem Leben, in dem altjungferliche Münchnerinnen sie in der Straßenbahn als Hure beschimpften und mit dem Regenschirm bedrohten, wenn sie sich mit einem Minirock in die Öffentlichkeit wagte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sie es immerhin schon aus dem Münchner Stadtviertel Sendling, das auch Mitte der Sechzigerjahre noch in grauer Nachkriegstristesse versank, nach Schwabing geschafft. Dort gab es das Big Apple, das damals nicht Club genannt wurde, sondern Kellerlokal, und wo sie in kurzen Shorts und mit Revolvergürtel (inklusive Colts) die Tanzfläche für sich beanspruchte.

Für den Lebenshunger von Uschi Obermaier war München zu klein

Was sie ebenfalls für sich beanspruchte, und was den ganzen Marx- und Mao-Fetischisten, die zwar von der Gleichberechtigung redeten, aber nicht im Geringsten daran dachten, die Privilegien des Patriarchats aufzugeben, nie recht in den Kram passte: Sie wollte keine Revolution, sondern Spaß. Als "1000-Mark-Mädchen" wurde sie beschimpft, auch von den Weltverbesserern in der Berliner Kommune 1, in die sie ihr späterer Freund und Chefkommunarde Rainer Langhans holte. 1000 Mark war damals die Tagesgage für ein Model, und trotzdem stimmte genau diese Bezeichnung nicht für Uschi Obermaier, das Schmollmundmädchen aus Sendling, für dessen Lebenshunger München einfach zu klein war.

Denn erstens bekam die Uschi nicht 1000 Mark pro Shootingtag, sondern 1200 - die Fotografen wussten schnell, was sie an ihr hatten. Und zweitens hatten ihre Bilder, auf denen sie bekleidet und auch weniger bekleidet zu sehen war, eine Ungezähmtheit, an die kaum einer der kleinbürgerlichen Revoluzzerspießer in München oder West-Berlin rankam.

Das sieht man besonders schön in den Filmen, die Uschi Obermaier damals gedreht hat. Mit Marquard Bohm zum Beispiel, der eine Schwabinger Mischung aus Jean-Paul Belmondo und Mick Jagger spielte, bildete sie in "Detektive" (1969) oder "Rote Sonne" (1970) ein Leinwandpaar, das den erotischen Versuchungen der französischen Nouvelle Vague noch am nächsten kam. Die Filmkritikerin Frieda Grafe schrieb über "Rote Sonne" den schönen Satz, dass in diesem Film alle sterben, weil "sie die Geschichten satthaben und das Leben wollen".

Weg von Langhans, weg von der Filmindustrie

Bei den Dreharbeiten war Rainer Langhans als eine Art Aufpasser die ganze Zeit mit am Set, half immerhin mit, die schweren Lampen zu schleppen, wie sich der Regisseur Rudolf Thome erinnert. Aber Uschi Obermaier war eben ein Mädchen, das die Geschichten satthatte und das Leben wollte, weshalb sie natürlich weitergezogen ist. Weg vom Langhans, auch weg von der Filmindustrie, obwohl ihr der mächtige italienische Produzentengrantler Carlo Ponti einen Zehnjahresvertrag anbot, eine Weltkarriere versprach. Auch Jack Nicholson stand bereit, er wollte sie und nicht die spröde Maria Schneider an seiner Seite haben für "Beruf: Reporter".

Aber sie hatte die Geschichten so satt, dass sie sogar den Stones und ihren Champagner-Gelagen davonlief, die ja doch wieder nur in verdunkelten Hotelzimmern fern vom echten Leben stattfanden.

Eine merkwürdig düstere Zwangsjacke namens Bundesrepublik

Während die Rockstars wie die Revolutionäre zu Junkies wurden und dem Heroin oder der Ideologie erlagen, stieg die Uschi mit dem "Prinz vom Kiez" in einen Bus. Dieter Bockhorn hatte in Hamburg eine etwas problematische Mischung aus halb legalen Kiezlokalen und Geschäften am Laufen, hing also nicht direkt mit Herzblut an Deutschland. Er nahm sie 1976 mit auf einen Roadtrip durch Indien, die USA und Mexiko, der fast sieben Jahre dauern sollte. Endlich, das Leben.

Am Silvestertag 1983 hatte Bockhorn in der Nähe von Cabo San Lucas, an der äußersten Südspitze Mexikos, einen tödlichen Motorradunfall, und die lange Reise durch Wüsten, über Highways und an glitzernden Meeresstränden entlang war vorbei. Die Siebzigerjahre auch, die Sechziger sowieso, aber Uschi Obermaier war immer noch eine junge Frau, Ende dreißig, die nicht zurückwollte in diese merkwürdig düstere Zwangsjacke namens Bundesrepublik. Heute lebt sie, die an diesem Samstag 70 Jahre alt wird, als Schmuckdesignerin in Kalifornien, im Topanga Canyon bei Los Angeles. Und sagt: "Wo es krachen konnte, hat es gekracht."

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